Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

[Stempel: Flöhau, 14. 11. 17]

[An:] Herrn Dr Max Brod k.k. Postkoncipist Prag k.k. Postdirektion

[Abs.:] Dr Kafka Prag Pořič


Liebster Max, vorläufig nur diese Karte zur Bestätigung der Karte, des Briefes und der Drucksachen (Jüdische Rundschau, Aktion, Extrablatt Selbstwehr). Unverständlicher Weise kamen Brief und Karte erst heute am 13., aber es macht nichts, die Freude über Deine Briefe hat etwas von der Zeit Unabhängiges. - Langer kann ich in dieser Weise nicht helfen. Die Anstalt ist für Juden unzugänglich. Nur zu meinem Spaß das Attentat auf den Direktor ausführen zu lassen, welches die Bitte eines Neuaufzunehmenden bedeuten würde, Samstag nicht arbeiten zu müssen - das will ich nicht. Es ist unverständlich wie die zwei Juden, die dort sind (durch Hilfe des dritten Juden) hineinkamen und es wiederholt sich nicht. Aber vielleicht gibt es in unserem Geschäft eine Möglichkeit, wenn man das - warum dürfte man das nicht? - dem Vater gegenüber verantworten kann. Willst Du Dich dort einmal aufhalten und mit der Mutter, Schwester oder Kusine sprechen, ich werde es anzeigen. Aber Langer ist stark, warum geht er nicht zu irgendeinem jüdischen Pächter? - Der "Gruß an Onkel Franz" ist sehr hübsch, aber sanft. Eine Tante kann den nicht schlagen, den ihr Neffe liebt.


Franz         

Ottla hält die Aufnahme L's bei uns für ausgeschlossen und sie kennt den Vater und das Geschäft besser.



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Extrablatt Selbstwehr: Anläßlich der Balfour-Deklaration vom 2. November 1917. Vgl. 1922 Anm. 19.


7"Gruß an Onkel Franz" .. . Neffe liebt: Kafka bezieht sich auf Elsa Brods Artikel in der Selbstwehr (siehe Anm. 66 oben), in dem sie - aus erzieherischen Gründen - auf die Darbietungen des damals populären "Onkel Franz" kritisch reagiert. Sie schreibt: "Unlängst war ich mit meinem Neffen im Landestheater beim "Onkel Franz". Ich muß gestehen, ich selber war ein bißchen neugierig, mir diesen Allerweltsonkel, der sich . . . unserer ahnungslosen Kinderwelt bemächtigt hat, in der Nähe anzusehn . . . - Ihr Mütter, kann dieser gefühllose Großbetrieb, diese Freundschaftsroutine, diese leere, ja sogar gefährliche Farce ... das Ideal einer Belehrung sein, das ihr euch für euere Kinder ersehnt?"


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at