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Franz Kafka an den Kurt Wolff Verlag
Entsprechend Ihrem freundlichen Schreiben vom 15.l.M. stelle ich zusammen,
was mich zu meiner Bitte nach Einzelabdruck des "Urteil" und
der "Strafkolonie" geführt hat:
Zunächst war überhaupt nicht von der Veröffentlichung im
"Jüngsten Tag" die Rede, sondern von einem Novellenband
"Strafen" (Urteil -Verwandlung - Strafkolonie), dessen Herausgabe
mir Herr Wolff schon vor langer Zeit in Aussicht gestellt hat. Diese Geschichten
geben eine gewisse Einheit, auch wäre natürlich ein Novellenband
eine ansehnlichere Veröffentlichung gewesen, als die Hefte des "Jüngsten
Tag", trotzdem wollte ich sehr gerne auf den Band verzichten, wenn
mir die Möglichkeit erschien, dass das "Urteil" in
einem besondern Heft herausgegeben werden könnte.
Ob "Urteil" und "Strafkolonie" gemeinsam in einem
Jüngsten Tag-Bändchen erscheinen sollen steht wohl nicht eigentlich
in Frage, denn die "Strafkolonie" reicht gewiß, auch
nach der in Ihrem Schreiben vorgenommenen Bemessung, für ein Einzelbändchen
reichlich aus. Hinzufügen möchte ich nur, dass "Urteil"
und "Strafkolonie" nach meinem Gefühl eine abscheuliche
Verbindung ergeben würden; "Verwandlung" könnte immerhin
zwischen ihnen vermitteln; ohne sie aber hieße es wirklich zwei fremde
Köpfe mit Gewalt gegen einander schlagen.
Insbesondere für den Sonderabdruck des "Urteil" spricht
bei mir folgendes: Die Erzählung ist mehr gedichtmäßig
als episch, deshalb braucht sie ganz freien Raum um sich, wenn sie sich
auswirken soll. Sie ist auch die mir liebste Arbeit und es war daher immer
mein Wunsch, dass sie, wenn möglich, einmal selbstständig
zur Geltung komme. Jetzt da von dem Novellenband abgesehen wird, wäre
dafür die beste Gelegenheit. Nebenbei erwähnt bekomme ich dadurch,
dass die "Strafkolonie" nicht gleich jetzt im "Jüngsten
Tag" erscheint, die Möglichkeit sie den "Weißen
Blättern" anzubieten. Es ist das aber wirklich nur nebenbei
erwähnt, denn die Hauptsache bleibt für mich, dass das "Urteil"
besonders erscheint.
Die buchtechnischen Schwierigkeiten dessen sollten unüberwindlich
sein? Ich gebe zu, dass ein Monumentaldruck nicht sehr passend wäre,
aber erstens ergeben sich schon im Fledermausdruck 30 Seiten und zweitens
enthalten bei weitem nicht alle Jüngste-Tag-Bändchen 32 bedruckte
Seiten. Aissá z. B. hat deren nur 26 und andere Bändchen, die
ich gerade nicht zur Hand habe, wie Hasenklever und Hardekopf bestehen
gar nur aus wenigen Blättern.
Ich glaube also, dass mir der Verlag die Gefälligkeit des Einzelabdrucks
- ich würde es durchaus als Gefälligkeit ansehn - wohl machen
könnte. In vorzüglicher Hochschätzung Ihr sehr ergebener
F Kafka
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at