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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, seit Tagen, Tagen keine Nachricht mehr. Warum? Wollen
Dir meine letzten Karten nicht eingehn? Aber sie betreffen doch den
Kernpunkt des Zusammenlebens. Ich kann mir - um jetzt nur davon zu reden
- gerade von Dir den Vorwurf der Eigensucht nicht immer wieder, so leicht,
so nebenbei, so selbstverständlich und mit der dahinterstehenden Drohung
der Unaufhörlichkeit machen lassen. Er trifft mich ja schwer, denn
er ist richtig. Unrichtig ist nur, dass Du, gerade Du mir ihn machst,
dass Du damit, vielleicht viel weniger durch die Tat als durch Worte,
eine Berechtigung dieser Eigensucht leugnest, die weniger, unvergleichlich
weniger auf die Person als auf die Sache geht. Der Glaube daran, dass
ich in dieser letztern Hinsicht die Grenze richtig ziehe, ist allerdings
Sache des Vertrauens zu mir. Jedenfalls: mein Schuldbewußtsein ist
immer stark genug, es braucht keine Nahrung von außen, aber meine
Organisation ist nicht stark genug, um häufig solche Nahrung hinunterzuwürgen.
Franz
Wollen Dir meine letzten Karten nicht eingehn?:
Die unmittelbar vorhergegangenen Karten, auf welche sich diese Bemerkung
bezieht, sind offenbar nicht erhalten.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at