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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, wie, jetzt drohst auch Du mit Nichtfahren? Nach den endlosen kleinen
Schwierigkeiten, von denen jetzt nur noch eine möglich ist, soll auch
diese große kommen? Das darf nicht sein. Über den Urlaub Deines
Chefs muß doch schon längst entschieden sein. - Heute kamen
die Bilder und Dein Montagsbrief. Schönes Gruppenbild im Walde. Das
sind also Deine 9 Mädchen und die Hanff ist mit dabei. Diesmal ist
S. die einzige, die nicht lächelt. Die schönste ist wohl die
kokette links in der Gürtelbluse. Ein wenig gestört ist das Bild
durch die waldschneckenartige Lagerung der vordersten. Große Mädchen
übrigens und bis auf 2, 3 scheinbar typische Gesichter. Allerdings,
ein Gesicht ist etwa in 1000 Bildern erst zu fassen. Auf den 2 Reigenbildern
sind ja auch Deine Mädchen zu sehn, mit einiger Mühe auch sicherzustellen,
sehen aber doch ganz anders aus. Die Güte Deines Bildes in der Gruppe
läßt das mißratene und ziemlich unverständliche Bild
mit den Blumen ein wenig verschmerzen. Das 5. Bild, in dem ich nur S. erkenne,
mußt Du mir noch erklären. - Ob ich das Chanukaspiel
werde auftreiben können, weiß ich nicht. Versuchen werde ich
es natürlicb gleich. - Was sagst Du zu der Demütigung (falls
Lüge nur Demütigung ist), in der Du mich in dem übersendeten
Blatt siehst? Es ist durchaus nicht der tiefste Punkt meiner Demütigung,
es gibt noch tiefere auf allen Seiten, aber tief genug ist er. - Nicht
mehr mit Nichtfahren drohn!
Franz
Chanukaspiel: Offenbar der Text eines der vielen
Theaterstücke, welche die Chanukkah-Geschichte - vgl. Anm.1 S. 168
- zur Darstellung bringen.
übersendeten Blatt: Das übersendete Blatt
ist nicht erhalten, es sei denn Kafka meint den Aufruf, der dem Brief vom
30. Oktober beigelegt war; siehe Anhang S. 764.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at