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Postkarte an Felice Bauer]

[Prag,] 21. X. 16
 


Liebste, ich bin also schon wieder hier. Vorgestern und gestern bekam ich Deine Briefe vom Dienstag und Mittwoch, der Bericht über den Ausflug war aber noch nicht darin. Vielleicht kommt er gleichzeitig mit den sehr erwarteten Bildern, unter denen nur recht viele von Dir sein mögen. (Eben mußte ich zum Telephon laufen, wo ich verständigt wurde, dass ich den Paß und Grenzüberschreitung bewilligt habe, jetzt ist noch der Sichtvermerk nötig.) Du fragst nach Frau Hauschner. Ich kenne sie persönlich nicht, habe nur einmal einen gar nicht sehr unvernünftigen Roman ungeheueren Umfanges von ihr gelesen und vor nicht langer Zeit zwei, drei Briefe an Max, die infolge einer Verwirrung, die die alte Dame angerichtet hatte, unendlich komisch aber durch die Art, wie sie sie ehrlich zu lösen suchte, auch rührend und angenehm waren. Von Max habe ich jetzt weiter erfahren, dass sie außerdem ungemein reich, menschenfreundlich und wohltätig ist, sich von diesem Standpunkt (von keinem andern, sie ist ganz unzionistisch) auch für das Volksheim interessiert und bei passender Veranstaltung etwa durch Einladung zu einem charakteristischen Nachmittag oder Abend ins Heim für größere Unterstützungen (sie ist auch Präsidentin eines großen Berliner Frauenvereins) gewonnen werden könnte. Übrigens bleibt sie bis Anfang November in Prag, Max spricht mit ihr Dienstag, dann schreibe ich.

Franz




Frau Hauschner: Die Romanschriftstellerin Auguste Hauschner (1852-1924). Der Roman ist vermutlich Die Familie Lowositz, Berlin 1908.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at