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Postkarte an Felice Bauer

[Prag, 14. X. 16
 


Liebste, heute kam die Karte und der Bericht. Was für eine persönliche Bedeutung diese Blätter für mich haben! Eine allzukleine Arbeit war das allerdings für Dich nicht. Vorläufig habe ich es nur flüchtig gelesen, finde es aber sehr verständig und reichhaltig. Nur in der Besprechung der jüngeren Knabengruppen wird ein wenig gefabelt. Das ist aber verzeihlich insbesondere beim ersten Bericht. Was für mich fehlt, ist mehr Rücksichtnahme auf die Leiter und Helfer, hier genügt nicht Zionismus und schweifende Begeisterung. Aber ein entschuldigender Hinweis findet sich auch für diesen Zweifel in der Bemerkung, dass nach dem Krieg das Zusammenleben der Helfer und der Pfleglinge viel näher werden soll. Jetzt fehlt in dieser Hinsicht gewiß noch viel, Deine Klage, die ich gerne in einer Einzelheit kennen lernen wollte, ist ja eine Bestätigung dessen. Man merkt übrigens, dass die Mädchengruppen in ihrer Entwicklung hinter den Knabengruppen noch zurückstehn. Vor allem aber immer wieder: Hochmut ist in dem Bericht. Wenn man aber von der Arbeit nicht abläßt, wird ihn die Zeit schon ausbrennen. - Störe ich Dich nicht mit dem Schicken der Bücher? Nehme ich dem Lesen des Foerster nicht zuviel Zeit weg?Was gibt Dir übrigens das Recht zu glauben, dass ich Erdmuthe nicht schon längst ausgelesen habe? Schon in Marienbad, bis auf die Anmerkungen, die nicht wesentlich sind. Büße diesen ungerechten Vorwurf durch baldige Sendung der Bilder vom Ausflug.

Franz




der Bericht: Die schon erwähnte Broschüre Das Jüdische Volksheim Berlin, Erster Bericht: Mai/Dezember 1916 [Berlin 19171. Dieser 20 Seiten umfassenden Veröffentlichung ist eine Widmung vorangestellt: "Den Förderern unserer Arbeit, den Herren Dr. Max Brod, Dr. Martin Buben Gustav Landauer, Siegbert Stern, Rabbiner Dr. Warschauer herzlichen Dank."


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at