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Postkarte an Felice Bauer

[Prag,] 10. X. 16
 


Liebste, heute wieder nichts, traurig. Ich weiß noch nicht alles vom ersten Heimabend, nichts von Deinem Referat, nichts von Deinem Sonntag. Warst Du letzten Sonntag oder den vorletzten mit den Kindern? Wars am letzten, dann bist Du ja wahrscheinlich in dem großen Regen ("nichts bleibt ihm verborgen") naß geworden, während wir, ich und Ottla, vor dem hier bloß drohenden Regen anders als bei unsern bisherigen sommerlichen Märschen ein wenig im Zickzack geirrt sind, durch meine Schuld, denn Ottla fürchtet sich natürlich vor dem Regen gar nicht. Ich übrigens auch nicht, wenn irgendwo vor dem Moorbad eine Veranda ist und unter ihr eine Bank und auf der Bank Du. -Was München betrifft, um rechtzeitig vorbereitet zu sein: Wann kämest Du dort an? In welchem Hotel wohnst Du? Wann müßtest Du zurückfahren? Ich würde, wenn es geht, die Geschichte lesen, die Du noch nicht kennst. "In der Strafkolonie", so heißt sie. - Gestern habe ich Dir ein Handbuch der Bewegungsspiele für Mädchen geschickt, vielleicht kannst Du es brauchen, es scheint recht vernünftig. Ich schicke Dir nächstens in [der Art noch etwas. - Zum Lesen mit den Kindern gebe ich Dir (außer Schlemihl, mit dem Du anfangen sollst) noch zu Gedenken: Hebel, Volkserzählungen von Tolstoi, Galoschen des Glücks, Andersen. Wähle und ich schicke es dann.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at