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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, heute nichts, das Beste, der Bericht über den ersten Heimabend
will natürlich erwartet sein, kommt nicht so ohne weiters im Fluge.
Durch die Berechtigung, welche die Mädchen offen bekommen (wenn ich
Dich richtig verstanden habe), wird die Sache vielleicht unnötig heikel
gemacht, eine Kritik der doch an sich überkritischen herausgefordert.
Das Gleiche und Besseres ließe sich doch erreichen, wenn man ihnen
das Wahlrecht zwar wirklich aber nicht ausdrücklich zugestehen würde.
Vielleicht geschieht das aber in der Weise und ich habe Dich nur nicht
richtig verstanden. - Gerade dass es sich bei dem Bericht nur um Abschreiben
handelt, hat mich geärgert. Abschreiberinnen finden sich doch leicht.
Aber vielleicht ließ es sich dem Frl. gegenüber doch nicht gut
ablehnen. In der Ferne ist man leicht streng. - Der Aufsatz von Max: Unsere
Literaten und die Gemeinschaft wird vielleicht im nächsten Juden
erscheinen. Willst Du mir übrigens nicht auch sagen, was ich eigentlich
bin. In der letzten Neuen Rundschau wird die "Verwandlung"
erwähnt, mit vernünftiger Begründung abgelehnt und dann
heißt es etwa: "K's Erzählungskunst besitzt etwas Urdeutsches"
In Maxens Aufsatz dagegen: "K's Erzählungen gehören
zu den jüdischesten Dokumenten unserer Zeit."
Ein schwerer Fall. Bin ich ein Cirkusreiter auf 2 Pferden? Leider bin ich
kein Reiter, sondern liege am Boden.
Franz
Juden: Brods Aufsatz erschien in Der Jude 1, Nr.
7 (Oktober 1916), S. 457ff.
gehören zu den jüdischesten Dokumenten:
Robert Müller hatte in seinem Rezensionsaufsatz "Phantasie"
Neue Rundschau, x916, Bd. 2, S. 1421 H: geschrieben: "Die sonst absichtslose
Erzählerkunst Kafkas die etwas Urdeutsches, rühmlich Artiges,
im Erzählenden Meistersingerliches besitzt, wird durch hypothetische
Flicke auf ihrem schönen Sachgewande deformiert. In Max Brods Aufsatz
"Unsere Literaten und die Gemeinschaft" heißt es über
Kafka: "Obwohl in seinen Werken niemals das Wort >Jude< vorkommt,
gehören sie zu den jüdischesten Dokumenten unserer Zeit."
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at