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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, daß Du auch zu dem andern Kurs noch gehst, habe ich eigentlich
gar nicht erwartet. Wirst Du das alles umfassen können, einerseits
ohne Dich überanzustrengen, andererseits ohne Deine Aufnahmfähigkeit
und Deine Leistungen dort zu schwächen? Die Debatte, von der Du erzählst,
ist charakteristisch, ich neige im Geiste immer zu Vorschlägen wie
denen des Hr. Scholem, die das Äußerste verlangen und damit
gleichzeitig das Nichts. Man muß eben solche Vorschläge und
ihren Wert nicht an der tatsächlichen Wirkung messen, die vor einem
liegt. Übrigens meine ich das allgemein. Der Vorschlag Scholems ist
ja an sich nicht unausführbar. - Daß Du mit den Mädchen
gut auskommst und Hoffnung hast, ihnen näher zu kommen, freut mich
sehr. Sehr schädlich wäre dem eine Art Selbstzufriedenheit, deren
allerdings kleinste und vielleicht nur für mein ängstliches und
besonders nahe gebrachtes Auge sichtbare Spitzen in Deinem Brief hervortreten,
etwa: "ihnen recht viel sein und geben möchte und könnte."
Nur nicht glauben, Dank der Kinder zu verdienen und immer wissen, daß
man zu danken hat. Wenn man nicht zu danken hat, dann ist man in der traurigen
Lage einer Volksschullehrerin, die für ihre Qual nicht einmal bezahlt
wird. Eine Figur der Hölle. - Dabei erinnere ich mich: Nächstens
erscheint Deine alte Geschichte. Ich habe die veraltete
Widmung ersetzt durch: "Für F." Ist es Dir recht?
Viele Grüße Franz
erscheint Deine alte Geschichte: Die der ersten
Veröffentlichung im Jahrbuch Arkadia vorangestellte Widmung
lautete: "Für Fräulein Felice B.". Vgl. Brief vom 18. Oktober
1912, S. 53.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at