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Postkarte an Felice Bauer
Liebste - noch immer freue ich mich mit dem gestrigen Brief, es waren besonders
zwei Dinge drin: gute Beobachtung und Respekt vor Menschen. Schreib mir
noch ein wenig über den Nachmittag, besonders auch über das,
was Du gesehen hast. Er [Friedrich Feigl] hat doch so eine große
Arbeit vor, Zeichnungen zu den Hauptwerken Dostojewskis für den Verlag
Müller. Hat er etwas davon gezeigt? Die Depression, von der Du schreibst,
hatte das Ehepaar gerade auch, als ich zuletzt mit ihnen sprach. Diesmal
war sie allerdings begründet, wie mir heute der Bruder Feigls, der
mich im Bureau besucht hat, erzählte. - Fräulein Gretes Leid
geht mir sehr zu Herzen; jetzt verläßt Du sie gewiß nicht,
wie Du es früher manchmal (ich verstehe es ja am besten; man wird
manchmal, während man mit aller Kraft irgendwo hinein will, am Kragen
geradewegs hinausgeführt) scheinbar unbegreiflich getan hast. Wenn
Du ihr Gutes tust, vertrittst Du auch mich. - Nach 3 Tagen außerordentlicher
Kopfruhe fiebere ich heute, seit gestern schon, von den Fuß- bis zu
den Haarspitzen. Ich war übrigens vor etwa 14 Tagen bei einem Arzt,
der so gut ist, wie Ärzte sein können. (Meine Verzweiflungsanfälle
führen nicht aus dem Fenster, sondern ins Ordinationszimmer.) Ich
schreibe darüber noch.
Herzlichste Grüße Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at