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Zwei Postkarten an Felice Bauer
Liebste - keine Nachricht, aber die etwas unregelmäßige Verbindung
hat den nicht kleinen Vorteil, dass man in solchem Fall nur an Verspätung
glauben kann. - Wenn man, um sich im Augenblick zu erhalten immer irgendeine
gegenwärtige Freude haben muß, so besteht meine darin, Dich
in einem beginnenden Zusammenhang mit dem Jüdischen Volksheim zu wissen.
- Zu dem, was Du mir über Deine Mutter geschrieben hast, wollte ich
schon längst etwas sagen: Ich verstehe beides, sowohl dass Deine
Mutter etwas von Dir wissen will, als auch (das verstehe ich besonders
gut, besser als Du), dass Du nichts sagst. Aber dazwischen muß
doch ein Ausgleich möglich sein. Gar so viel zu erzählen ist
nicht, höchstens gemeinsam zu überdenken. Was unsere Verbindung
betrifft, so ist deren Tatsache absolut bestimmt, soweit Menschen bestimmen
können; der Zeitpunkt selbst ist nur relativ bestimmt und die Einzelheiten
unseres künftigen Lebens müssen wir (unter Ausschluß Prags)
der Zukunft überlassen. Das läßt sich wohl auch der Mutter
sagen, wenn auch z. B. für mich ein unendlicher Zwang nötig wäre,
das zu sagen. Aber Deine Mutter hat doch an unserer Zukunft noch ein anderes
Interesse als das allgemein mütterliche, auch das erfordert Aussprache,
so nebelhaft auch im Augenblick die Zukunft durcheinandergeht. Ganz unverständlich
ist mir dagegen die Forderung der Mutter, dass Du Sonntag mittag zuhause
bist. In dieser Weise kann das doch gar nicht gefordert werden, besonders
da Du ja abend sehr oft mit der Mutter beisammen bist und es sich doch
nur um die paar Sonntage mit schönem Wetter handelt. Gibst Du mir
darüber keine befriedigende Antwort, schreibe ich in der Sache Deiner
Mutter selbst. Das klingt sehr böse, ist aber das möglichste
Gegenteil.
Viele Grüße Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at