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Postkarte an Felice Bauer
Liebste - schon den 5ten Tag ohne Nachricht, ich will nicht glauben, dass
Du nicht schreibst, will auch nicht an Erkrankung oder der gleichen glauben,
trotzdem ist es recht trostlos und mein Schreiben verliert den Sinn. Gestern
habe ich Dir eine Nummer der Jüdischen Rundschau
geschickt, der Aufsatz von Max zeigt, was er gearbeitet hat, die Briefstellen
zeigen, um was für Mädchen es sich handelt, das Feuilleton zeigt
(nicht sehr gut geschrieben) eine merkwürdige zionistische Stimmung.
Jedenfalls mußt Du Dich vor dem Jüdischen Volksheim wegen des
Zionismus, den Du nicht genügend kennst, nicht fürchten. Es kommen
durch das Volksheim andere Kräfte in Gang und Wirkung, an denen mir
vielmehr gelegen ist. Der Zionismus, wenigstens in einem äußern
Zipfel, den meisten lebenden Juden erreichbar, ist nur der Eingang zu dem
Wichtigern. Was hilft das Schreiben? Du schweigst.
Viele Grüße Franz
der Jüdischen Rundschau: Jüdische Rundschau
XXI, Nr. 29 (21. Juli 1916), in der Max Brods Aufsatz, "Aus der Notschule
für galizische Flüchtlinge in Prag" und die von Kafka erwähnten
Briefproben (S. 241 f.) erschienen sind.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at