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Franz Kafka an den Kurt Wolff Verlag (G. H. Meyer)
Sehr geehrter Herr
Besten Dank für Ihr Schreiben vom 18., den "Napoleon",
sowie die angekündigten Weißen Blätter.
Die Angelegenheit des Fontanepreises ist mir zwar noch immer nicht klar,
trotzdem vertraue ich Ihrem Gesamturteil über die Frage. Allerdings
scheint wieder daraus, dass Leonhard Frank (zum
zweitenmal kann man doch wohl den Preis nicht bekommen) in Wahl stand,
hervorzugehn, dass es sich nur und ausschließlich um Verteilung
des Geldes gehandelt hat. Trotzdem habe ich, wiederum nur Ihrem Rate folgend,
an Sternheim geschrieben; es ist nicht ganz leicht jemandem zu schreiben,
von dem man keine direkte Nachricht bekommen hat, und ihm zu danken, ohne
genau zu wissen wofür.
Mit dem "Napoleon" Einband bin ich natürlich einverstanden.
Sind vielleicht die früheren Hefte der Sammlung in dieser Weise überbunden
worden?
Beiliegend schicke ich die Korrekturen. Ich beeile mich auch gern, aber
an manchen Tagen ist es mir nicht möglich, die kleine dafür notwendige
Zeit zu ersparen.
Beiliegend auch die Besprechungen. Sie wurden mir als angeblich vollständige
Sammlung geschickt, sind aber nicht vollständig. Soviel ich weiß
fehlen Besprechungen aus Berliner Morgenpost, Wiener Allg. Zeitung, Österr.
Rundschau, Neue Rundschau. Ich besitze leider keine von diesen. Die bedeutendste
ist jedenfalls die von Musil in der Rundschau Augustheft
1914, die freundlichste die von H.E.Jakob, die beiliegt.
Über "Betrachtung" die freundlichste von Max
Brod im März und von Ehrenstein im "Berliner
Tagblatt", auch die besitze ich aber nicht. Sie rieten mir Sternheim
zu danken, müßte ich dann aber nicht auch Blei danken? Und welches
ist seine Adresse?
Das kleine Stück für den Almanach "Vor dem
Gesetz" sowie den ersten Bogen der Korrektur der Verwandlung
haben Sie wohl erhalten.
Mit herzlichen Grüßen Ihr ergebener
F Kafka
Leonhard Frank: (1882-1961).Erzähler und Dramatiker.
Erhielt für seinen ersten Roman "Die Räuberbande"
1914 den Fontane-Preis.
Musil in der Rundschau: Robert Musil besprach "Betrachtung"
und "Heizer" in: "Die Neue Rundschau", August 1914,
S. 1169-1170.
H.E. Jakob: Am 16.VI. 1913 besprach Heinrich Eduard
Jacob den "Heizer" in der "Deutschen Montagszeitung",
Berlin.
Max Brod im März: Max Brod "Das Ereignis
eines Buches". "März" Jg. 7 (15. II. 1913), S. 268-70.
Ehrenstein im "Berliner Tagblatt":
Aus der Besprechung von Albert Ehrenstein im "Berliner Tageblatt"
(16.IV.1913 Beiblatt 4) werden im "Bunten Buche (S. 172), Leipzig:
KWV 1914, folgende Sätze zitiert: "Sein edel gehaltenes Buch
verfliegt in sanfttollen Arabesken, in Randbemerkungen eines verschwindensbereiten,
unauffindbaren Zimmerherrn und Aftermieters des Lebens. Geschrieben werden
so depressive (und doch leuchtende) Bücher nur in politisch nicht
expansiven, in nicht schlagenden Staaten. Kafka behauptet sich sozusagen
nur seinem Notizbuche gegenüber. Was er spricht, klingt wie geflüstert
von einer der wenigen lieben, stillen, an die Wand gedrückten Existenzen,
wie sie sich nur noch in den vom österreichischen Reichsrate vertretenen
Königreichen und Ländern finden. Eine seltsam lyrische Prosa,
pointenlos, witzferner als die Peter Altenbergs. Ein merkwürdig großes,
merkwürdig feines Buch eines genial-zarten Dichters."
"Vor dem Gesetz"; Veröffentlicht
in: "Vom jüngsten Tag". Ein Almanach Neuer Dichtung. Leipzig:
KWV 1916, S. 126-28.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at