Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

Franz Kafka an den Kurt Wolff Verlag (G.H. Meyer)


Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt
Prag, am 15.Oktober 1915
 

Sehr geehrter Herr!

Meinen besten Dank für Ihr Schreiben vom 11. l. M., Ihre Mitteilungen haben mir, insbesondere, was Blei und Sternheim anlangt, große Freude gemacht, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zu Ihren Fragen selbst (die aber eigentlich keine Fragen waren, denn die Verwandlung wird ja schon gesetzt) könnte ich mich bestimmt äußern, wenn ich wußte, wie es sich mit dem Fontanepreis verhält. Nach Ihrem Schreiben, vor allem auch nach dem Schreiben an Max Brod scheint die Sache so zu stehn, dass Sternheim den Preis bekommt, dass er aber den Geldbetrag jemandem, möglicherweise mir, schenken will. So liebenswürdig das nun natürlich ist, wird doch dadurch die Frage nach der Bedürftigkeit gestellt, aber nicht nach der Bedürftigkeit hinsichtlich beider, des Preises und des Geldes, sondern nach der Bedürftigkeit hinsichtlich des Geldes allein. Und es käme dann meinem Gefühl nach auch gar nicht darauf an, ob der Betreffende später einmal vielleicht das Geld benötigen wird, entscheidend dürfte vielmehr nur sein, ob er es augenblicklich nötig hat. So wichtig natürlich auch der Preis oder ein Anteil am Preis für mich wäre - das Geld allein ohne jeden Anteil am Preis dürfte ich wohl gar nicht annehmen, ich hätte glaube ich kein Recht dazu, denn jene notwendige augenblickliche Bedürftigkeit besteht bei mir durchaus nicht. Die einzige Stelle in Ihrem Schreiben, die meiner Auffassung widerspricht, ist die, wo es heißt: "Durch den Fontanepreis wird die Aufmerksamkeit u.s.w." Jedenfalls bleibt die Sache ungewiß und ich wäre Ihnen für eine kleine Aufklärung sehr dankbar.

Was Ihre Vorschläge betrifft, so vertraue ich mich Ihnen vollständig an. Mein Wunsch wäre es eigentlich gewesen, ein größeres Novellenbuch herauszugeben (etwa die Novelle aus der Arkadia, die Verwandlung und noch eine andere Novelle unter dem gemeinsamen Titel "Strafen") auch Herr Wolff hat schon früher einmal dem zugestimmt, aber es ist wohl bei den gegenwärtigen Umständen vorläufig besser so, wie Sie es beabsichtigen. Auch mit der Neuausgabe der Betrachtung bin ich ganz einverstanden.

Die Korrektur der Verwandlung ist beigeschlossen. Leid tut es mir, dass der Druck anders ist als bei Napoleon, trotzdem ich doch die Zusendung des Napoleon als ein Versprechen dessen ansehen konnte, dass die Verwandlung ebenso gedruckt würde. Nun ist aber das Seitenbild des Napoleon schön licht und übersichtlich, das der Verwandlung aber (ich glaube bei gleicher Buchstabengröße) dunkel und gedrängt. Wenn sich darin noch etwas ändern ließe, wäre das sehr in meinem Sinn.

Ich weiß nicht, wie die späteren Bändchen des "Jüngsten Tag" gebunden worden sind, der "Heizer" war nicht hübsch gebunden. Es war irgendeine Imitation, die man, wenigstens nach einiger Zeit, nur fast mit Widerwillen anschauen konnte. Ich würde also um einen andern Einband bitten.

Sehr schade, dass Sie vorige Woche nicht kommen konnten, vielleicht wird es bald einmal möglich, ich würde mich sehr freuen.

Mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener


F Kafka


Könnte ich noch fünf Exemplare der Oktobernummer der Weißen Blätter bekommen? Ich würde sie benötigen.

Herr Wolff hat mir einmal einige Besprechungen des "Heizer" geschickt; falls Sie sie irgendwie brauchen sollten, kann ich sie schicken.


Korrektur


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at