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Postkarte an Felice Bauer

[Ankunftsstempel: Berlin - 24. 12. 15]
 


Liebe Felice, heute nur paar Zeilen, auch kommt eine Karte sicherer, auch brennt wieder der Kopf. Nur zu Deiner Hauptfrage: Gewiß will ich mich nach dem Krieg anders einrichten. Ich will dann nach Berlin übersiedeln, trotz aller beamtenmäßigen Zukunftsfurcht, denn hier geht es nicht weiter. Aber was für ein Mensch wird dann übersiedeln? Von meinem jetzigen Zustand aus gesehn, ein Mensch, der günstigsten Falls eine Woche für sich wird arbeiten können, um dann mit seiner Kraft endgültig zuende zu sein. Was für eine Nacht heute! Was für ein Tag! 1912 hätte ich wegfahren sollen.

Herzlichste Grüße Franz


[auf der anderen Seite]

Vom Fontanepreis erfuhr ich auch fast erst aus den Zeitungen, nur früher einmal hatte mich der Verleger unbestimmt darauf vorbereitet. Sternheim kenne ich weder persönlich noch schriftlich. "Verwandlung" ist als Buch erschienen, sieht gebunden schön aus. Ich schicke sie Dir, wenn Du willst. Ernas Adresse? Kam das Paket zufriedenstellend an?




Sternheim: Den Fontane-Preis des Jahres 1915 erhielt Carl Sternheim für seine Erzählungen "Busekow", "Napoleon" und "Schuhlin". Sternheim, der Millionär war, gab die mit dem Preis verbundene Geldsumme von 800 Mark, einer Empfehlung Franz Bleis entsprechend, an Kafka weiter. Vgl. Wolff, Briefwechsel, S. 34ff.


Verwandlung: Kafkas Erzählung, bereits im Heft X (Oktober 1915) der Weißen Blätter veröffentlicht, erschien im November 1915 als Doppelband (22/23) der Bücherei Der jüngste Tag (Kurt Wolff, Leipzig).


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at