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[Tagebuch, 13. September 1914; Sonntag]

13. IX (1914) Wieder kaum 2 Seiten. Zuerst dachte ich die Traurigkeit über die österreichischen Niederlagen und die Angst vor der Zukunft (eine Angst die mir im Grunde lächerlich und zugleich infam vorkommt) werden mich überhaupt am Schreiben hindern. Das war es nicht, nur ein Dumpfsein, das immer wieder kommt und immer wieder überwunden werden muß. Für die Traurigkeit selbst ist außerhalb des Schreibens Zeit genug. Die Gedankengänge die sich an den Krieg knüpfen sind in der quälenden Art mit der sie mich in den verschiedensten Richtungen zerfressen ähnlich den alten Sorgen wegen F. Ich bin unfähig Sorgen zu tragen und bin dazu vielleicht gemacht, an Sorgen zugrundezugehn. Wenn ich genug geschwächt bin - und das muß nicht sehr lange dauern - wird vielleicht die kleinste Sorge genügen, um mich auseinanderzutreiben. In dieser Aussicht kann ich allerdings auch die Möglichkeit finden, das Unglück möglichst lange hinauszuschieben. Ich habe zwar mit aller Kraftaufwendung einer damals verhältnismäßig noch wenig geschwächten Natur wenig gegen die Sorgen wegen F. ausgerichtet, aber ich hatte damals nur in der Anfangzeit die große Hilfe des Schreibens, die ich mir jetzt nicht mehr entreißen lassen will.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at