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An Grete Bloch

20.VI.14 [vermutlich. Juni 1914]
 


Liebes Fräulein Grete, ich habe jetzt 2 Nächte besser geschlafen (seit der Abreise des Dr. Weiß gab es schon wieder gräuliche Nächte), bin jetzt allein und kann meine Lage ruhiger überschauen. Sie ist so sonderbar, dass ich mit dem klareren Kopf, den ich heute habe, gar nicht über sie reden kann.

Ich habe vor paar Tagen mit dem einen Chef einer großen Wäschefabrik, Joss und Löwenstein, gesprochen, Eugen Löwenstein heißt er. Das Gespräch kam auf Organisationsfragen, er läßt gerade durch einen Amerikaner seinen ganzen komerciellen und technischen Betrieb neu organisieren. Das erste, woran ich natürlich dachte, waren Ihre Maschinen. Sie haben sie auch in der Fabrik, aber sie wollen sie abschaffen, die Leute arbeiten nicht gerne damit, es bewährt sich nicht. Ich antwortete natürlich, dass die Leute offenbar mit den Maschinen, die meiner "Erfahrung" nach ausgezeichnet sind, nicht richtig umzugehn verstehn, dass sie durch irgendeinen tüchtigen Menschen, z. B. durch ein Berliner Fräulein, das ich kenne, unterrichtet werden müßten. Er sagte, ja, das sei allerdings möglich, er würde - zuerst müsse er noch mit seinem Bureaudirektor sprechen - sehr gerne das Fräulein auf seine Kosten herkommen lassen, wie lange der Unterricht auch dauern möge. Der Lesti werde sich zwar ärgern, denn er schreibe fortwährend an die Fa. und werde immerfort abgewiesen, aber das mache nichts. - Nun ist dieser Herr Löwenstein jetzt weggefahren, bleibt über den Juli weg, kommt erst anfangs August, dann soll ich bei ihm anfragen und dann kann es arrangiert werden. Wollen Sie? Wird es möglich sein? Ich wäre froh. Ich weiß zwar nicht, ob Sie in das böhmische Geschäft jetzt noch eingreifen dürfen; aber wenn die Firma ausdrücklich sagt, dass sie nur Sie und keinen andern haben will, so muß sich doch aus Geschäftsrücksichten irgendeine Möglichkeit dafür finden, dass Sie kommen dürfen.

Herzlichste Grüße Ihres Franz K.




Der Lesti: Grete Bloch arbeitete in Wien bei der Firma Joe Lesti Nfg.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at