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Brief von Kafkas Onkel A Fred Löwy aus Madrid


[Briefkopf der spanischen Eisenbahngesellschaft


Madrid, 14.5 1914
 

Lieber Franz und liebes Frl. Felice.

Euer herzlicher, gemeinsamer Brief ohne Datum (die Glücklichen zählen nicht die Tage) hat mich freudigst überrascht; er klingt wieein Liebes-Duo und nicht als Brief sondern als Musik werde ich ihn aufbewahren.

Ich wiederhole Euch meine innigste Gratulazion für Euer gegenwärtiges und meine herzlichsten Wünsche für Euer zukünftiges Glück. Möget Ihr nie vergessen, dass jeder seines Glückes eigener Schmied ist.

Wie gerne hätte ich Euern Wunsch erfüllt, Eurer baldigen Verlobung in Berlin beizuwohnen, doch ist dies leider unausführbar. Je näher der Zeitpunkt meiner Urlaubsreise anrückt, desto mehr Schwierigkeiten stellen sich entgegen und jetzt sehe ich schon voraus, dass ich frühestens erst am 6. Juni von hier fortkomme; mit der Reisedauer und einigen Tagen Aufenthalt in Paris, der absolut nothwendig ist und Ihr seht, dass ich vor dein 15. Juni nicht in Prag sein kann. Macht nur keine böse Miene, in's Unvermeidliche muß man sich mit Anmuth schicken.

Besten Dank für die gute Meinung, die Du, meine liebe "neue" Nichte, mich betreffend hast; doch bist Du in dieser Beziehung viel nachsichtiger als unser Franz, der so manches an mir zu kritisieren findet. Doch bin ich ihm darob gar nicht böse, denn ich bin nicht ohne Fehler - ganz im Gegentheil - und Du wirst's auch schon merken.

Ich umarme Euch beide von Herzen und bleibe Euer treuer, alter und neuer Onkel

Alfred


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at