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An Felice Bauer

24. V. 14
 


Meine liebste Felice, ich halte das Versprechen, das ich mir gegeben habe, und schicke trotz Deines letzten Briefes den inliegenden Brief weg. Es ist auch richtig, denn wenn er auch vom augenblicklichen Anlaß ausging, so fällt er doch keineswegs mit ihm weg, zumal nicht einmal der Anlaß ganz weggefallen ist. Es ist auch kein Wort darin, dessen ich mich schämen müßte, und kein Satz, der in der Hauptsache etwas anderes enthielte als Sorge um Dich.

Mit meinem Plan betreffend die Schwester ist es schlecht ausgefallen. Ich habe Dich in Erkenntnis der schweren Ausführbarkeit im Vertrauen gefragt. Du hieltest es für schwierig, aber doch ausführbar und sprachst offenbar auch mit Deiner Mutter darüber; das war ganz richtig gehandelt. Ebenso richtig war es von mir gehandelt, dass ich aus Deinem letzten Brief noch keine vollständige Zustimmung herauslas und eine bestimmtere Antwort nach dieser oder jener Seite hin erwartete (übrigens auch ganz entsprechend Deinem nicht erfüllten Versprechen, mir noch einmal zu schreiben). Jedenfalls hätte ich auf den letzten Brief hin die Schwester noch nicht hingeschickt. Das war alles richtig. Nun aber schreibt Deine Mutter an meine Mutter (sehr liebenswürdig übrigens und mir schmerzlich in Erinnerung bringend, dass ich noch nicht geschrieben habe) und erwähnt darin - den Wortlaut weiß ich jetzt nicht -, dass auch sie es gern gesehn hätte, wenn Ottla früher gekommen wäre, dass sie es aber nicht gewagt hat, sie einzuladen u.s.w. Dadurch ist diese kleine Angelegenheit, die, wenn sie nicht glückte, nur mich und Dich betreffen sollte, zu einer Familienangelegenheit geworden. Das ist nicht richtig. Nur ich habe gebeten, nur ich konnte abgewiesen werden. Das ist doch ganz klar.

Nun trotzt auch Ottla, nicht ganz ohne meine Zustimmung, und will überhaupt nicht fahren. Ich finde das gar nicht schlecht; wenn sie schon gelegentlich meiner Verlobung nicht das Vergnügen eines mehrtägigen Berliner Aufenthaltes haben soll, so soll sie wenigstens das Vergnügen des Trotzens haben. Natürlich richtet sich der Trotz gar nicht gegen Euch, sondern hauptsächlich gegen den Vater. Aber das führt schon in das Dunkel der Familiengeschichten, in dem sich niemand auskennt.

Da Du in Deinem Brief vom Theater schreibst und von eventuellen Theaterbesuchen, so habe ich den Theaterzettel angesehn. Ich finde nur 2 Vorstellungen, die mir Freude machen würden, sonst gar nichts. Und beide Vorstellungen fallen für uns weg. "König Lear" wird Samstag gegeben. Ich werde zwar wahrscheinlich um 7 Uhr kommen, doch werden wir wohl kaum den ersten Abend ins Theater gehn können. Und "Franziska" fällt wohl weg, da es sich um eine Premiere handelt, gewiß keine Karten mehr zu bekommen sind und Smoking notwendig sein dürfte, eine Forderung, die ich nicht erfüllen kann.

Ich schicke Dir auch noch einen Brief meines Onkels, der auch Dir gilt. Ich werde mit 60 Jahren keine solche oder aber eine wahrhaft himmlische Laune haben. Ist er nicht liebenswürdig? Wenn Du Lust hast, schick mir eine Antwort für ihn, ich setze sie dann fort. Auch das Original schick mir bitte zurück.

Wenn Dich jemand fragen sollte, wie Dein Bräutigam aussieht, so sag', dass Du ihn fotografiert hast und zeig das beiliegende Wölkchen. Ich bin es wirklich, und Du hast es wirklich fotografiert.

Franz


[Beigelegt]

Brief von Kafkas Onkel Alfred Löwy aus Madrid



Franziska Frank Wedekinds "Franziska".

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at