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An Grete Bloch

[Vermutlich 23.April 1914]
 


Liebes Fräulein Grete, es gibt kein anderes Papier im Haus. Das Bessere ist schon verschrieben, aber es ist gerade recht für Sie, ich will

Ihnen ja nicht Briefe schreiben, sondern durch paar Minuten Ihnen so nahe sein, als es die hunderte km, erlauben.

Bin ich mißverstanden worden? Nein. Und trotzdem wollen Sie nicht kommen? Alle Gründe, die gegen Gmünd sprechen, sprechen für Prag. Wenn Frau B. Sie nicht gut vertragen kann - ich selbst habe nichts derartiges gemerkt -, dann gibt es für Sie und mich nur eine neue Gemeinsamkeit, aber ein Hindernis für Ihren Besuch ist darin nicht gelegen. Ich für meinen Teil wäre sehr froh, wenn Sie kämen und F. gewiß auch, sie hat mir Ihren Besuch schon mit den freudigsten Ausdrücken angekündigt. Ich verstehe es noch nicht richtig auszudrücken, aber es scheint mir manchmal für mich förmlich notwendig, dass Sie dabei sind, wenn F. zum ersten Mal bei mir zu Hause ist. Für Sie spricht natürlich genug dagegen: die große Reise, das Reden mit fremden Leuten, nicht mit vielen, aber immerhin mit einigen, und andere Kleinigkeiten, die sich nicht voraussehn lassen. Ich will Sie nicht zwingen, aber zwingen werde ich mich müssen, Sie zu entbehren. Vielleicht hat F. einen guten Einfall, von Gmünd hat sie mir noch nicht geschrieben; will sie hin, dann wird mich nichts halten.

F. schreibt mir jetzt regelmäßiger, wenn auch nur wenig, so doch jeden Tag, außer heute, heute habe ich noch nichts bekommen. Gestern aber

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Schluß, es ist spät, übrigens kam gerade, als ich vor paar Stunden den letzten Satz schrieb, ein Telegramm von F., als wolle sie mir gewissermaßen im letzten Augenblick die Hand halten, die eine Art Vorwurf niedergeschrieben hat. Es war zu spät.


Herzlichste Grüße Ihr Franz K.



B.: Anna Bauer, die Mutter von Felice.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at