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An Felice Bauer

19.IV. 14
 


Was für eine Freude, Liebste, auch einmal wegen der Briefe ins Unrecht gesetzt zu seilt. Gewiß, ich hätte Deiner Mutter schon geschrieben haben sollen und habe es erst heute getan. Ich hätte auch Deinem Vater das Buch gleich Dienstag schicken sollen und habe es erst Freitag geschickt. Aber erstens bin ich gar nicht pünktlich im Briefschreiben (die Briefe an Dich sind keine Briefe, sondern Winseln und Zähnefletschen), meine Hand ist schwer und, wenn keine Nachricht von Dir kommt, wie letzthin, ist diese Hand eben ganz gelähmt und kann nicht einmal das Buch für Deinen Vater einpacken.

Ob ich mir dessen bewußt bin, dass ich Dir ganz gehöre? Ich mußte nicht mir dessen bewußt werden, das weiß ich schon seit 1½ Jahren. Die Verlobung hat daran nichts geändert, zu festigen war dieses Bewußtsein nicht mehr. Eher denke ich manchmal, dass Du, F., [Dir] nicht immer ganz klar darüber bist, wie sehr und in welcher besondern Weise ich Dir gehöre. Aber Geduld, alles wird klar werden F., in der Elle wird alles klar werden und wir werden die einigsten Menschen sein. Liebste, liebste F., wären wir schon so weit! Diese Augenblicksbeziehungen an paar Sonntagen in Berlin, an paar Tagen in Prag können nicht alles lösen, wenn auch im Kern alles längst gelöst ist, vielleicht seit meinem ersten Blick in Deine Augen.

Jeder hat etwas anderes geglaubt, ich habe geglaubt, Du würdest meiner Mutter antworten und habe darüber vergessen, Deiner Mutter zu schreiben. Du schreibst, Du müßtest Dich selbst einladen. Wie denn? Hast Du den Brief meiner Mutter vom letzten Montag nicht bekommen, in dem sie Dich doch eingeladen hat und gewiß sehr herzlich.

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Ein Freund meines Madrider Onkels (Alfred Löwy], der bei der österreichischen Botschaft in Madrid angestellt ist, war hier und ich bin mit ihm ein wenig spazieren gewesen. Merkwürdig: jetzt ist schon spät, wir sind viel herumgegangen, haben auch Ottla und eine Cousine mitgehabt, haben noch andere Leute getroffen und jetzt, da ich mich nach diesem für mich ungewöhnlichen Unternehmen hinsetze (in den letzten Jahren bin ich wohl bei Tag nur allein oder mit Felix, dem andern Felix spazierengegangen), da ich mich also hinsetze, um Dir zu schreiben, merke ich, dass ich nicht im geringsten umdenken muß, sondern während des ganzen Spaziergangs, in der Elektrischen, im Baumgarten, am Teich, bei der Musik, beim Butterbrotessen (sogar einen Bissen Butterbrot am Nachmittag habe ich gegessen, eine Monstrosität hinter der andern!), auf dem Nachhauseweg immer nur Dich, immer nur Dich im Kopfe hatte. Im Geiste bin ich mit Dir vereinigt in einer Urilöslichkeit, an die kein Rabbinersegen von der Ferne heranreicht.

In die Zeitung gebe ich die Anzeige erst morgen für Dienstag. Mein Direktor kommt morgen von einer Reise zurück und ich wollte nicht, dass die Anzeige früher in der Zeitung steht, ehe ich es ihm privat gesagt habe. Mittwoch bekommst Du die Zeitung. Natürlich wissen schon fast alle davon, die es angeht. Was haben denn Deine Freunde und Bekannten gesagt, haben es viele dem Friseur nachgesprochen?-Und im übrigen-so wird jeder Brief schließen - glaube ich, dass Du sehr bald kommen solltest. Wann denn, F., wann denn?

Dein Franz

Über die Kopfschmerzen bitte schreib mir gleich!


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at