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An Jizchak Löwy

[Prag,] Juni/Juli 1914]
 

Lieber Löwy,

Es hat mich viel mehr gefreut, dass Sie sich meiner erinnert haben, als man daraus schließen könnte, dass ich so spät antworte. Ich bin in großer Verwirrung und Beschäftigung, ohne dass es mir oder jemandem sonst vielen Nutzen bringt.

Übrigens eine Neuigkeit: Ich habe mich verlobt und glaube damit etwas Gutes und Notwendiges getan zu haben, wenn es natürlich auch soviele Zweifel in der Welt gibt, dass auch die beste Sache vor ihnen nicht sicher ist.

Daß Sie sich noch immer quälen und keinen Ausweg finden können, ist sehr traurig. Daß Sie gerade in Ungarn so lange bleiben, ist merkwürdig, wird aber wohl seine schlimmen Gründe haben. Es kommt mir vor, als wären wir beide viel hoffnungsvoller gewesen, als wir an den Abenden in Prag herumzogen. Ich dachte damals, Sie müßten irgendwie durchbrechen und zwar mit einem Schlag. Übrigens gebe ich die Hoffnung für Sie gar nicht auf, das muß ich Ihnen sagen. Sie sind leicht verzweifelt, aber auch leicht glücklich, denken Sie in der Verzweiflung daran. Bewahren Sie nur Ihre Gesundheit für spätere bessere Zeiten. Das, was Sie erleben müssen, scheint schlimm genug, verschärfen Sie es nicht noch dadurch, dass Sie Ihre Gesundheit schädigen.

Ich würde sehr gern etwas Näheres über Sie und Ihre Freunde hören. Fahren Sie diesmal nicht nach Karlsbad?

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr Franz K




Jizchak Löwy : Mitglied der ostjüdischen Schauspieltruppe, von der in Kafkas "Tagebüchern" viel berichtet wird (vergleiche auch Biographie).


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at