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[Tagebuch, 17. Dezember 1913; Mittwoch]

17. (Dezember 1913) Brief an W. mit dem Auftrag. "Überfließend sein und doch nur ein Topf auf einem kalten Herd"

Vortrag Bergmann "Moses und die Gegenwart". Reiner Eindruck. Wie sich der Mensch hinaufgehoben hat, er hat sich wirklich irgendwo in der Höhe festgeklemmt. Und als Junge war er wegzublasen, in allem, aber vielleicht doch nicht in allem und es war nur mein Unverstand, der das glaubte. - Ich habe jedenfalls damit nichts zu tun. Zwischen Freiheit und Sklaverei kreuzen sich die wirklichen schrecklichen Wege ohne Führung für die kommende Strecke und unter sofortigem Verlöschen der schon zurückgelegten. Solcher Wege gibt es unzählige oder nur einen man kann das nicht feststellen, denn es gibt keine Übersicht. Dort bin ich. Ich kann nicht weg. Ich habe mich nicht zu beklagen. Ich leide nicht übermäßig, denn ich leide nicht zusammenhängend, es häuft sich nicht an, wenigstens fühle ich es vorläufig nicht, und die Größe meines Leidens liegt weit unter jenem Leiden, das mir vielleicht zukäme.

Die Silhouette eines Mannes, der mit halb und verschiedenartig in die Höhe gehobenen Armen sich gegen vollständigen Nebel wendet, um hineinzugehn.

Die schönen kräftigen Sonderungen im Judentum. Man bekommt Platz. Man sieht sich besser, man beurteilt sich besser.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at