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[Tagebuch, 12. Dezember 1913; Freitag]

12. (Dezember 1913) Und früh bin ich verhältnismäßig ganz frisch aufgestanden.

Gestern auf dem Nachhauseweg der kleine grau verpackte Junge der neben einer Gruppe von Jungen nebenher lief, sich gegen den Schenkel schlug, mit der andern Hand einen andern Jungen faßte und rief in ziemlicher Geistesabwesenheit, was ich nicht vergessen darf: Dnes to bylo docela hezky.

Die Frische mit der ich heute nach einer etwas geänderten Tageseinteilung um etwa 6 Uhr auf der Gasse gieng. Lächerliche Beobachtung, wann werde ich das ausrotten.

Im Spiegel sah ich mich vorhin genau an und kam mir im Gesicht - allerdings nur bei der Abendbeleuchtung und der Lichtquelle hinter mir, sodass eigentlich nur der Flaum an den Rändern der Ohren beleuchtet war - auch bei genauerer Untersuchung besser vor, als ich nach eigener Kenntnis bin. Ein klares übersichtlich gebildetes, fast schön begrenztes Gesicht. Das Schwarz der Haare, der Brauen und der Augenhöhlen dringt wie Leben aus der übrigen abwartenden Masse. Der Blick ist gar nicht verwüstet, davon ist keine Spur, er ist aber auch nicht kindlich, eher unglaublicherweise energisch, aber vielleicht war er nur beobachtend, da ich mich eben beobachtete und mir Angst machen wollte.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at