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Entwurf eines Briefes an Grete Bloch
Der Hauptgrund, Fräulein, der mich bisher gehindert hat, Ihnen zu
schreiben, der mich sogar in den frühem Briefen gehindert hat, war
die Rücksicht darauf, dass ich erstens immer daran war, was immer
ich auch schreiben wollte, F. auszuspionieren, sei es auch nur, um zu erfahren,
was sie jetzt tut, dass ich ferner zweitens vielleicht Ihnen ein Unrecht
tat, indem ich der Lust zu fragen nicht widerstehn zu können glaubte
und so Sie zu widerwilligen Antworten zwingen konnte und dass ich
drittens den Anschein bekommen konnte, ich schriebe nur um zu fragen. Keine
dieser Rücksichten kann mich jetzt mehr abhalten denn es wird, ich
will nicht sagen "unverständlich", aber bedrückend,
dass ich von F. gar nichts erfahren kann, so bedrückend, dass
ich schreibe. Wissen Sie etwas von F.? Ist sie vielleicht krank? Aber aus
Ihrem letzten Briefe (ich erschrecke als ich ihn aufschlage, er ist schon
fast 3 Wochen alt) sehe ich doch dass Sie wenigstens gegen Ende November
noch Karten von F. bekamen, in denen von keiner Krankheit die Rede war.
Ich würde aber selbst ohne diese Andeutungen an keine Krankheit glauben,
von dorther kommt meine Unruhe nicht. Nun, den Abend vor Ankunft Ihres
Briefes schrieb ich einen Brief an F. schickte ihn am nächsten Morgen,
es dürfte der 28. XI gewesen sein, weg, übrigens rekommandiert.
Zwei Tage später erfuhr ich, dass die Frau von Max, die mit F.
in Berlin beisammen gewesen war und sie damals schon geradezu für
Weihnachten eingeladen hatte, dies nun in einem Brief ausdrücklich
nochmals wiederholt hatte. Letzten Sonntag schickte ich F. noch einen Expressbrief.
Keiner dieser 3 Briefe ist beantwortet. Widerspricht das nicht, ich will
wieder nicht sagen "vollständig", aber doch zum größten
Teil, ihrem Wesen? Durch welche Umstände, durch welche Gedankengänge
ist es zu erklären? Wissen Sie etwas darüber und wollen Sie es
mir sagen?Wenn Sie es nicht sagen können, so will ich es nicht etwa
durch Mitleid erzwingen (Augenblicklich bin ich z.B. vielleicht selbst
unter den Blicken von 1000 Beobachtern nicht im geringsten bemitleidenswürdig,
ich sitze etwa um ½1 Uhr in der Nacht bequem und geradezu sinnlos
ruhig, die Füße in eine Decke eingepackt, in ziemlichem Wohlbefinden
beim Schreiben dieses Briefes.) Wenn Sie es aber nicht sagen können,
dann sagen Sie mir nur dieses, damit ich nicht so im ganz Unklaren herumsuchen
muß.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at