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[Briefkopf der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt]
An Felice Bauer
Felice, heute bekam ich den Brief, den Kartenbrief und den Brief Deines
Vaters. Du bekamst doch Sonntag und Montag Briefe von mir, auch Deinem
Brief nach scheinen sie angekommen zu sein, doch Du beantwortest sie nicht.
Auch in dem Brief Deines Vaters steht nicht die geringste Erwähnung
dessen, dass Du mit Deinem Vater über das, was an dieser Heirat
Wagnis für Dich ist, gesprochen hättest. Er muß es aber
wissen, es geht ihrs nicht nur mittelbar, es geht ihn unmittelbar an. Könnte
ich reden, ich käme nach Berlin, ich kann aber nicht und muß
also schreiben, ich habe in aller Kürze und Oberflächlichkeit,
was zu sagen ist, in dem beiliegenden Brief an Deinen Vater
aufgeschrieben. Bitte, bitte, liebste Felice, gib ihm den Brief! Es muß
sein.
Franz
Meine Mutter? Sie bettelt seit 3 Abenden, seitdem sie meine Sorgen ahnt,
ich möchte doch heiraten auf jeden Fall, sie will Dir schreiben, sie
will mit mir nach Berlin fahren, was will sie nicht alles! Und hat nicht
die geringste Ahnung von dem, was für mich notwendig ist.
Brief an Deinen Vater: Siehe folgenden Brief. -Am
16. Mai 1913 erwähnte Kafka zum ersten Mal die Absicht, Felicens Vater
zu schreiben. Darüber hatte er wohl mit ihr während seines vorhergehenden
Pfingstbesuches in Berlin gesprochen. Daß er diesen Brief schreiben
wollte, sagte Kafka an zahlreichen Stellen seiner Korrespondenz mit Felice
zwischen dem 23. Mai und dem 14. August. An diesem Tag schrieb er: "Der
Brief an die Eltern machte mir große Schwierigkeiten..." (Vgl.
Tagebücher S. 316.) Am 15. August hieß es im Brief an
Felice: sich habe Deinen Eltern das Unumgängliche gesagt". Am
21. August beklagte er sich darüber, dass ihr Vater noch nicht
geantwortet habe. Erst am 24. August erhielt Kafka Carl Bauers Antwort:
"Ich bekam heute von Deinem Vater einen ruhigen, überlegten
Brief... Und doch ist Deines Vaters Brief nur deshalb ruhig, weil ich Deinen
Vater betrüge ..." Bereits am 21. August 1913 hatte er einen
offenbar deutlicheren Briefentworfen (vgl. Tagebücher, S. 318ff.),
den er jedoch nicht abschickte. Inzwischen scheint Felice auf Drängen
Kafkas bei ihrem Vater erwirkt zu haben, dass Carl Bauer einen zweiten
Brief au ihn schrieb. Diesem Brief glaubte Kafka entnehmen zu können,
dass sie gerade darüber, "was an dieser Heirat Wagnis"
für sie sei, mit ihrem Vater acht gesprochen habe. So legt denn Kafka
den folgenden Brief für Carl Bauer bei. Wie aus der weiteren Korrespondenz
hervorgeht, hat Felice diesen Brief ihrem Vater nicht übergeben, womit
sich Kafka schließlich abfand. Vgl. Kafkas Brief an Felice vom 2.
September 1913, S. 460f
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at