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An Felice Bauer
Liebste Felice, Du wirst mir doch nicht krank. Es geht Dir nicht besonders?
Was bedeutet das? Und warum erklärst Du es nichtnäher? Muß
ich mir allein Vorwürfe darüber machen, dass ich durch Quälereien
Dich krank mache? Ist nicht anderes schuld? Und was ist es? Und Du schläfst
noch immer nicht gut? Wahrhaftig meine Schlaflosigkeit sollte doch für
uns beide ausreichen. Hast Du genug Ruhe? Hast Du gutes und vernünftiges
Essen? Was bedeutet nur das, es ginge Dir nicht besonders? Schreibe mir
keine Briefe mehr, nur Karten, aber bitte, Felice, zu einer solchen Nachricht,
es ginge Dir nicht besonders, füge auch eine kleine Erklärung
oder eine kleine Hoffnung hinzu. Wenn Du nur schreibst, es ginge Dir nicht
besonders, so kann ich das stundenlang anstarren, ohne eine Erklärung
herauszulesen oder wenigstens ohne eine gute Erklärung herauszulesen.
Und schicke mir dann nicht Karten mit solchen Bildchen, sondern wirkliche
Ansichtskarten, aus denen ich mir eine Vorstellung davon machen kann, wo
und wie Du lebst, denn das ist mir doch das wichtigste.
Die Post scherzt wohl wieder mit uns. Deinen Brief vom Freitag bekam ich
erst jetzt Montag, und der Flaubert, der doch schon vorigen Montag bei
Dir hätte ankommen sollen, scheint auch erst jetzt gekommen zu sein.
In dem Buch ist aber Leben! Hält man sich fest daran, geht es in einen
über, sei man, wie man sei.
Gestern kam Max von seiner Reise zurück, ich war bei ihm, dort waren
auch seine Eltern, und da erfuhr ich die große Neuigkeit, dass
Frau Brod von irgendjemandem von irgendwo - den Namen würde man mir
niemals nennen - einen Glückwunsch bekommen habe. Ich hörte nichts,
verstand nichts, hatte Kopfschmerzen von einer schlaflosen Nacht und richtete
mich darauf ein, sinnlos herumzustarren. Das war zwar nur der Ausdruck
eines elenden Zustandes, gleichzeitig aber auch der Ausdruck der Traurigkeit
darüber, dass sich fremde Leute in meine Angelegenheit einmischen
oder einmischen möchten, wozu ich ihnen ein Recht selbst bei äußerster
Berücksichtigung ihrer Freundschaft, Anteilnahme, Hilfsbereitschaft
und Liebenswürdigkeit niemals zugestehen kann.
Die Photographien! Felice. Die Photographien! Man wartet!
Sieh, was für ein schönes Gedicht ich bekommen
habe, es ist gerade im "März" erschienen [1]. Schick es
mir wieder zurück. Ja dort sind wir vor zwei Jahren gelegen. Ich weiß
nicht mehr, wie das Dorf geheißen hat, ganz nahe bei Lugano. - Und
nun sieh zu, dass Du gesund wirst. Die Cousine und die Freundin sollen
nichts tun als Dich bedienen und pflegen. Hätte ich doch auch eine
Aufgabe dabei.
Franz
ein schönes Gedicht: Max Brods Gedicht >Lugano-See"
das Franz Kafka gewidmet ist, erschien in der Münchener Wochenschrift
März VII (August 1913), S. 247. Vgl. Brod, Biographie, S. 100.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at