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An Felice Bauer

8.VIII.13
 


Gestern habe ich Dir gedankt, weil zum erstenmal nach langer Zeit an zwei aufeinander folgenden Tagen Briefe von Dir kamen, und heute ist schon wieder keine Nachricht da. Es könnte für Tyrannei erklärt werden, dass ich jeden Tag einen Brief verlange, es ist aber keine oder vielmehr es ist nur dann eine, wenn Dir nichts an mir liegt, dann freilich ist es Tyrannei. Und insbesondere jetzt müßtest Du mir schreiben und regelmäßig schreiben. Du weißt genügend, wie ich leide ohne Brief. Du weißt, wie mein jetziger Zustand ist, wie er sich förmlich nach der Regelmäßigkeit Deiner Briefe richtet, Du weißt, dass mir im Notfall paar flüchtige Zeilen genügen, Du weißt, dass Du mir versprochen hast, von Westerland regelmäßig zu schreiben, Du weißt, dass der Brief, auf den ich Antwort von Dir erwarte, mir besonders wichtig war, Du weißt, dass ich noch über das Gewöhnliche hinaus unruhig sein muß, wenn Du mir in einem Brief von Kopfschmerzen und schlechtem Schlaf schreibst, nächsten Tag aber nichts - und trotz alledem schreibst Du mir nicht, fühlst Dich durch meinen täglichen Brief nicht gedrängt, mir paar Worte zu schreiben. Aber schließlich, ich verlange ja gar nicht tägliche Briefe, wenn es nicht möglich ist, das habe ich Dir doch schon so oft gesagt, nur regelmäßige Briefe will ich, aber auch das verweigerst Du mir. Und Du erträgst es, den Mittwoch ruhig zu verbringen, auch ohne mir eine kleine Ansichtskarte zu schicken, trotzdem Du weißt, dass ich am Freitag von Postbestellung zu Postbestellung zittere. Ach, was hilft es mir, dass Du von mir träumst, wenn ich den Beweis habe, dass Du während des Tages nicht an mich denkst. Und es ist nicht das erstemal. Du tust Unrecht, Felice, ganz gleichgültig, ob Du aus innern oder äußern Gründen nicht schreiben kannst.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at