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An Felice Bauer

2. VIII. 13
 


Meine liebe, liebe Felice! Heute ist kein Brief, es ist ja heute ganz natürlich, aber ich kann, wenn es sich um Deine Briefe handelt, Natürlichkeit und Sonderbarkeit nicht mehr unterscheiden, ich will sie einfach haben, muß sie haben, lebe durch sie.

Ich habe einen Einfall, der, wenn er Dir gefällt, großartig wäre. Wenn Deine Antwort auf meine letzten Briefe kommt, könnte ich an Deinen Vater schreiben. Wenn Deine Eltern nicht ängstlich sind - schließlich ist ja kein besonderer Grund für Ängstlichkeit, denn Deine Eltern kennen mich ja nicht; es müßte denn sein, Du verrätest mich, dann freilich - wenn also Deine Eltern nicht ängstlich sind, wären wir vielleicht in 14 Tagen vor unseren Eltern verlobt. Wäre es dann nicht möglich -jetzt kommt der Einfall -, dass Du über Prag zurückfährst? Nicht etwa, dass Du einen Teil der Urlaubszeit verlieren solltest, das nicht, nur dass Du auf der Rückfahrt einige Stunden in Prag bleiben könntest. Vielleicht am letzten Sonntag oder am letzten Samstag, wäre es am Samstag, so könnte ich Dich vielleicht nach Berlin zurückbegleiten. ja? Wäre das gut? Es wäre nämlich nicht gut, wenn ich nur auf mich Rücksicht nähme. Denn jedes Wort und jeder Blick den Du mit meinen Verwandten tauschen wirst, wird mich kränken, nicht etwa nur aus Eifersucht, sondern vor allem deshalb, weil ich mich so gegen sie abgeschlossen habe und in dieser Abgeschlossenheit glücklich bin, jetzt aber durch Dich, die Du ein Teil meines Wesens bist, eine neue Verbindung mit ihnen, wenn nicht angeknüpft, so doch angedeutet wird. Daran, Felice, mußt Du, wenn Du mich nicht unglücklich machen willst, immer denken, wenn Du mit ihnen oder auch mit anderen sprichst. In dieser Hinsicht habe ich mich wirklich in der Hand. Ich kann z. B. gelegentlich alles über mich ausschwätzen, nicht mit Absicht, aber es ergibt sich so - und trotzdem rollt schließlich alles wieder ganz rein in mich zurück und ich bin ganz fremd, trotzdem ich vielleicht das Wichtigste gesagt habe. Bei Dir, fürchte ich, würde ich es nicht so empfinden, Du bist mir zu viel wert, wenn Du mit den Leuten schwätzen würdest, würde ich mich mit Dir in ihnen verlieren. Aber einmal mußt Du ja, so traurig es mir ist, mit den Verwandten bekannt werden, würdest Du also kommen? Das Glück Deiner Gegenwart würde mir ja alles erträglich machen.

Franz

Was ist das für ein Mädchen, Dein Fräulein Danziger?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at