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An Felice Bauer

1. VIII. 13
 


Mit was für einem Menschen ich jetzt herumgegangen bin! Entweder ist er ein großer Narr oder ein kleiner Prophet. Aber hier soll er sich nicht einmischen! -

Meine liebste Felice, hast Du meinen heutigen Brief verständig aufgenommen? Weißt Du übrigens schon, dass Du einen weißhaarigen Mann bekommen wirst? Wie es mit mir hinuntergeht! Das Herzklopfen, das z. B. diesen Brief begleitet!

Liebste, nun fährst Du wieder weiter weg von mir, und es tut Dir gar nicht leid. Im Gegenteil, Dein Haus heißt Sanssouci. Sag Deiner Schwester, dass sie gar nicht meine Freundin ist, wenn sie Dich vom Schreiben abhält. Meine Eltern gewöhnen sich allmählich an ihre neue Sorge und fangen an, sie in ihre übrigen einzuordnen. Warum glaubst Du, dass es besser ist, wenn ich in Deiner Abwesenheit an Deinen Vater schreibe? Mir schiene es eigentlich besser, wenn Du dabei wärest, wenn der erste Brief von mir in Euere Wohnung kommt, der nicht an Dich gerichtet ist.

Worüber soll ich mich mit Max beraten? Für das, was uns nur angeht, und es ist sehr Verantwortungsvolles, dafür kann doch niemand im eigentlichen Sinne die Verantwortung tragen, also auch nicht raten. Sollte ich mir aber an Maxens Finanzwirtschaft ein Beispiel nehmen, so wäre das allerdings schlimm. Max hat mehr Geld als ich, auch mehr Einkünfte, ist gar nicht geizig, gar nicht verschwenderisch - und doch wird dort mehr von Geld und Mangel gesprochen als gut ist. Und gerade dieses Reden über das Geld woran gewiß die Frau, wenn auch in aller Unschuld, schuld ist gibt dem Geld eine erhöhte Bedeutung, die man ihm auf jeden Fall, selbst wenn man wirklich an Mangel leidet, leicht entziehen könnte. Ich erinnere mich, ich stand an den Spiegel gelehnt, als die Frau vor ihm sich einen Spitzenüberwurf umlegte (sie kleidet sich ein wenig auffallend und ohne die rechte Zusammenstimmung, wenn auch wieder in aller Unschuld), ich sagte, um etwas zu sagen: "Wie kostbar das aussieht!" Sie antwortete mit wegwerfender Handbewegung: "Aber es ist ja billig wie alles." Das ist traurig, unsinnig und erniedrigend. Das will ich nicht lernen.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at