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An Felice Bauer
Ich hätte gestern, ja schon vorgestern einen Brief von Dir haben müssen,
Felice. Und wenn schon keinen Brief, so auf meinen gestrigen Brief gestern
ein Telegramm. Du hättest mich nicht in diesem Zustande lassen dürfen.
Wußtest Du, was ich tun würde, wenn ich wenigstens in Briefen
grundlos mich von Dir verlassen sah? Ich habe Dich im Laufe dieses wunderbaren
und schrecklichen Jahres ärger gequält, aber immer aus innerer
Notwendigkeit, niemals aus äußerer, wie Du mich von Frankfurt
aus und jetzt wieder. Diese Besuche und Verwandten! Ich werde keinen von
dem andern unterscheiden und ich fürchte, sie werden alle meine Feinde
sein in gegenseitiger Feindschaft. Wie soll ich sie ansehn, wenn ein kleines
Erstauntsein der versammelten Gesellschaft oder ein kleines Unbehagen darüber,
dass Du nicht da bist, sondern 5 Zeilen an mich schreibst, Dir bedenklicher
scheint als meine Verzweiflung in diesen Nächten und Tagen, die sich
an Kopfschmerzen und aufgeregtem Wachsein für mich kaum unterscheiden.
Werde ich für Dich mehr sein, Felice, bis ich Dein öffentlicher
Bräutigam bin? Ebenso aber wie dann keiner, nur weil Gesellschaft
da ist, das Recht haben wird, Dich vom Schreiben an mich abzuhalten, wenn
dieses Schreiben so nötig ist wie es am Somitag war - ebenso hat auch
heute niemand das Recht dazu, und wenn er es hat, darfst Du es nicht anerkennen.
Ich bin unglücklich darüber, dass Du mir nicht geschrieben
oder telegraphiert hast, unglücklicher als Du Dir denken kannst.
Das ist kein Übelnehmen, kein Mißverständnis, Felice, es
rührt auch meine Liebe zu Dir nicht an, die ist unantastbar. Es ist
nur begründete Trauer.
Franz
Ich habe den Brief noch einmal gelesen. Meine liebste Felice, wenn Du in
Dir nur die leichteste Möglichkeit fühlst, diesen Brief übelzunehmen,
so denke daran, dass Du ja gar nicht weißt, wie es mir - unerzählbar
- infolge des Ausbleibens jeder Nachricht in der letzten und allerletzten
Zeit gegangen ist.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at