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An Felice Bauer

27.V.13
 


Das ist also das Ende, Felice, mit diesem Schweigen entläßt Du mich und beendest meine Hoffnung auf das einzige Glück, das mir auf dieser Erde möglich ist. Aber warten dieses fürchterliche Schweigen, warum kein offenes Wort, warum quälst Du Dich seit Wochen sichtbar, so schrecklich sichtbar, mit mir ab? Das ist nicht mehr Mitleid von Deiner Seite, denn wäre ich der Dir fremdeste Mensch, Du hättest doch sehen müssen, wie ich unter dieser Unsicherheit so leide, dass mir manchmal die Besinnung vergeht, und es kann auch kein Mitleid sein, das in solchem Schweigen endigt. Die Natur geht ihren Gang, da ist keine Hilfe, je mehr ich Dich kennenlernte, desto mehr liebte ich Dich, je mehr Du mich kennenlerntest, desto unleidlicher bin ich Dir geworden. Hättest Du das doch eingesehn, hättest Du offen gesprochen, hättest Du doch nicht so lange gewartet, bis es Dir unmöglich wird, bis Du Dich nicht mehr überwinden kannst, mir auch nur ein Wort von einer 5-tägigen Reise zu schreiben, mir auf Briefe, in denen ich Dich um Entscheidung bitte, auch nur mit einer Zeile zu antworten, mich in meinem Unglück, dass ich so

lange von Dir nichts gehört habe, irgendwie zu trösten? Und noch gestern sagtest Du mir, als ich Dich zum Telephon gerufen hatte und ich allerdings nur ganz wenig verstand, denn vor Glück, Deine Stimme zu hören, rauschte es mir zu sehr in den Ohren: Du hättest Sonntag abend mir geschrieben und spätestens heute, Dienstag, hätte ich den Brief in der Wohntrog. Nein, ich habe nichts, Du hast weder Sonntag, ja nicht einmal Montag nach dem Telephongespräch geschrieben, Du kannst nicht schreiben, aber Du kannst es auch nicht sagen, dass Du nicht schreiben kannst. Wenn ich jetzt daran denke, dass das einzige Selbständige, was Du mir gestern zu sagen hattest, die Frage war, wie es mir geht, dann geht mir wirklich der Verstand aus den Fugen. So kann ich nicht länger leben. Wahrscheinlich muß ich Dich nicht mehr dazu auffordern, aber trotzdem bitte ich Dich noch ausdrücklich, schreibe mir nicht mehr, kein Wort, handle so, wie es Dir Dein Herz sagt. Ich werde Dir auch nicht schreiben, Du wirst keine Vorwürfe hören, Du wirst nicht mehr gestört werden, und nur das eine bitte ich Dich im Gedächtnis zu behalten, dass, wieviel Zeit des Stillschweigens auch vergeht, ich auf den leisesten aber wahren Anruf Dir gehöre, heute wie immer.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at