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An Felice Bauer

15. V, 13
 


Wo ist Eberswalde? Weit von Berlin? Hattest Du schon meinen eingeschriebenen Brief, als Du die Karten schriebst? (Ich habe natürlich schon alle, denn vom Bahnhof ging ich gleich ins Bureau nachschauen, meine ganze Fahrt war vom ersten Schritt, den ich um 5 Uhr früh aus meiner Wohnung gemacht hatte, darauf eingestellt; trotzdem war es sehr lieb von Dir, mir beiderlei Karten zu schicken - nun für weitere Dankbarkeit ist zwischen uns kein Platz mehr, glaube ich.) Aber die Antwort auf jenen Brief sind diese Karten natürlich nicht, die Antwort bekomme ich noch, Felice, nicht wahr? Ich bitte Dich vielmals darum. Es ist so wichtig, darauf Antwort zu bekommen, das mußt Du doch einsehn, Liebste, Liebste! Meine Vorstellung von Dir geht mir sonst in die Brüche. Gut, Du wirst mir darauf antworten, ich rede nicht mehr davon.

Wie geht es Deiner Familie? Ich habe einen so verworrenen Eindruck von ihr, es liegt vielleicht daran, dass mir die Familie so sehr den Anblick vollständiger Resignation in Bezug auf mich dargeboten hat. Ich fühlte mich so klein, und alle standen so riesengroß um mich herum mit so einem fatalistischen Zug im Gesicht (bis auf Deine Schwester Erna, der ich mich gleich näher fühlte). Das entsprach alles den Verhältnissen, sie besaßen Dich und waren deshalb groß, ich besaß Dich nicht und war deshalb klein, aber so sah ich es doch bloß an, sie doch nicht, wie kamen sie also zu diesem Verhalten, das trotz aller Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft sie beherrschte? Ich muß einen sehr häßlichen Eindruck auf sie gemacht haben, ich will nichts darüber wissen; nur was Deine Schwester Erna gesagt hat, möchte ich wissen, auch wenn es sehr kritisch oder boshaft war. Willst Du mir das sagen?

Franz


[Am Rande unten} Ich habe gerade die alte Besprechung von Max bei der Hand, ich schicke sie Dir mit einem Seufzer. Vergleiche! Vergleiche!




Besprechung von Max: Vermutlich Max Brods Besprechung von Betrachtung. Vgl. Anm.2 S. 300.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at