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An Felice Bauer
Wo ist Eberswalde? Weit von Berlin? Hattest Du schon meinen eingeschriebenen
Brief, als Du die Karten schriebst? (Ich habe natürlich schon alle,
denn vom Bahnhof ging ich gleich ins Bureau nachschauen, meine ganze Fahrt
war vom ersten Schritt, den ich um 5 Uhr früh aus meiner Wohnung gemacht
hatte, darauf eingestellt; trotzdem war es sehr lieb von Dir, mir beiderlei
Karten zu schicken - nun für weitere Dankbarkeit ist zwischen uns
kein Platz mehr, glaube ich.) Aber die Antwort auf jenen Brief sind diese
Karten natürlich nicht, die Antwort bekomme ich noch, Felice, nicht
wahr? Ich bitte Dich vielmals darum. Es ist so wichtig, darauf Antwort
zu bekommen, das mußt Du doch einsehn, Liebste, Liebste! Meine Vorstellung
von Dir geht mir sonst in die Brüche. Gut, Du wirst mir darauf antworten,
ich rede nicht mehr davon.
Wie geht es Deiner Familie? Ich habe einen so verworrenen Eindruck von
ihr, es liegt vielleicht daran, dass mir die Familie so sehr den Anblick
vollständiger Resignation in Bezug auf mich dargeboten hat. Ich fühlte
mich so klein, und alle standen so riesengroß um mich herum mit so
einem fatalistischen Zug im Gesicht (bis auf Deine Schwester Erna, der
ich mich gleich näher fühlte). Das entsprach alles den Verhältnissen,
sie besaßen Dich und waren deshalb groß, ich besaß Dich
nicht und war deshalb klein, aber so sah ich es doch bloß an, sie
doch nicht, wie kamen sie also zu diesem Verhalten, das trotz aller Liebenswürdigkeit
und Gastfreundschaft sie beherrschte? Ich muß einen sehr häßlichen
Eindruck auf sie gemacht haben, ich will nichts darüber wissen; nur
was Deine Schwester Erna gesagt hat, möchte ich wissen, auch wenn
es sehr kritisch oder boshaft war. Willst Du mir das sagen?
Franz
[Am Rande unten} Ich habe gerade die alte Besprechung von
Max bei der Hand, ich schicke sie Dir mit einem Seufzer. Vergleiche!
Vergleiche!
Besprechung von Max: Vermutlich Max Brods Besprechung
von Betrachtung. Vgl. Anm.2 S. 300.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at