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An Felice Bauer

3. V. 13
 


Als ich mich jetzt niedersetzte, um Dir zu schreiben, sagte ich "Liebste" vor mich hin und merkte es erst später. Könnte ich Dir doch einmal begreiflich machen, was Du für mich bedeutest! Und dabei kann ich es aus der Nähe noch weniger als aus der Ferne.

Ich habe nachmittag ganz allein einen Spaziergang gemacht, die Hände in den Taschen bin ich den Fluß entlang weit hinaufgewandert. Wohl war mir nicht, immer wieder mußte ich mir sagen, dass es mir vielleicht immer in gleicherweise schlecht gegangen ist, dass immer die gleichen Gespenster an der Arbeit waren, dass aber meine Widerstandskraft viel größer war und immer, immer kleiner wird, dass es bald nur ein formaler Widerstand wird und endlich auch das aufhören muß. Es ist wahr, immer staunte ich über die Festigkeit meines Kopfes, der alles scheinbar aus Verständnislosigkeit abgeschüttelt hat, aber es war nicht Verständnislosigkeit, sondern nur längst vergangene Festigkeit. Ich saß jetzt 1 Stunde lang mit meiner Familie zusammen, absichtlich tun mich aus dem Alleinsein ein wenig zurückzufinden, aber ich fand mich nicht zurück.

Der Endpunkt meines Spazierganges, ich war in jener Gegend schon jahrelang nicht gewesen, war eine elende Hütte am Fluß. Das Dach so verfallen, dass es nur formlos gerade noch aufgelagert war, der kleine Garten war ein wenig besser gepflegt, schien auch guten feuchten Boden zu haben. Jetzt in der Erinnerung kommt er mir allerdings merkwürdig dunkel vor, er lag allerdings ein wenig vertieft und als ich in ihn hineinsah, war überhaupt schon dunkel, denn ein Gewitter fing an. Das Ganze sah nicht verlockend aus, trotzdem machte ich Pläne. Das Haus dürfte nicht gar zu teuer sein, man könnte das Ganze kaufen, ein kleines ordentliches Haus hinbauen, den Garten besser instandsetzen, eine Treppe zum Fluß hinunter bauen, der Fluß ist dort genug breit und über das andere Ufer hat man eine große Fernsicht, unten könnte man ein Boot angebunden haben und alles in allein vielleicht viel ruhiger rund zufriedener leben als in der Stadt, mit der man durch die elektr. Bahn sehr gut verbunden ist. (Nur eine in der Nähe befindliche Cementfabrik mit viel Rauchentwicklung könnte Bedenken machen.) Diese Überlegungen waren die einzige tröstliche Unterbrechung des langen Spazierganges.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at