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An Felice Bauer
Ich fange noch immer nicht an ich bin zu unruhig, ich liebe Dich zu sehr.
Ich wäre Dir unentbehrlich geworden, sagst Du? Gebe es Gott, schreit
es aus mir, und ich soll diesen Schrei mit der Hand ersticken ?
Mein ganzer heutiger Schlaf war in den verschiedensten Beziehungen von
dem Gedanken daran erfüllt, dass ich heute keinen Brief bekomme.
Er kam auch nicht, und ich spürte es früher in der Kehle, eile
ich die Worte des Dienstmädchens verstand. Dispensieren soll ich Dich
vom Briefeschreiben? Liebste, das wäre wenig. Aber von mir Dich befreien,
das wäre eine gute Leistung. Aber ich kann ja eben nicht einmal auf
die Briefe verzichten. Ich bin von dem Bedürfnis nach Nachrichten
von Dir ganz durchsetzt. Zu den nebensächlichsten Lebensäußerungen
bekomme ich nur durch Deine Briefe Fähigkeit. Um den kleinen Finger
richtig zu rühren, brauche ich Deinen Brief.
Und wie soll ich nur auf Nachrichten verzichten, da ich höre, dass
Dir nicht gut ist, dass Du noch immer hustest, dass Du Dich kaputt
fühlst. Wenn es nur so wäre wie zur Zeit, da alles in mir gelöst
war und ich richtig schreiben konnte! Da fühlte ich mich Dir beim
Briefschreiben näher als sonst, heute wollte ich, wenn mir das möglich
wäre, den Schreibtisch gar nicht verlassen, um keinen Augenblick dieses
Beisammenseins zu verlieren. Manchmal in der Verzweiflung, wenn nichts
anderes übrig bleibt, tröste ich mich noch mit solchen unbegründeten
Hoffnungen. Wenn ich z. B. im Bureau auch finit der zweiten Post keinen
Brief bekommen habe und nun gar nicht weiß, was anfangen und die
Entschlußkraft auch zum geringsten Diktieren fehlt und die gesamte
Unfallversicherung, so provisorisch sie in meinem Kopfe steckte, nun gänzlich
sich aus mir entfernt und jeder kleine Aushilfsbeamte mehr weiß und
besser auf seinem Platze ist als ich, dann sage ich mir manchmal: "Sei
nicht traurig, Du wirst ihr nachmittag desto länger schreiben und
desto länger Dich ihr ganz verbunden fühlen. Es liegt ja nur
in Deiner Hand." Nun ist das aber leider völlig falsch. Wenn
ich Dir nicht schreibe, bin ich Dir viel näher, wenn ich auf der Gasse
gehe und überall und unaufhörlich mich etwas an Dich erinnert,
wenn ich allein oder unter Leuten Deinen Brief an das Gesicht drücke
und den Geruch einatme, der auch der Geruch Deines Halses ist, - dann halte
ich Dich fester im Herzen als jemals. Ach Gott, es ist ja noch ärger
und es ist die Hand meines Unglücks, die sich bis in die Tiefen durchtastet:
Am Telephon des "Askanischen Hofes" war ich Dir näher,
fühlte die Seligkeit einer Verbindung mehr als vorher auf dem Baumstamm
im Grunewald.
Liebste! Liebste! Liebste! Wie versinkt demgegenüber
der Name Franz!
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at