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An Felice Bauer
Rund heraus gefragt, Felice: hättest Du Ostern, also Sonntag oder
Montag, irgend eine beliebige Stunde für mich frei und wenn Du sie
frei hättest, würdest Du es für gut halten, wenn ich komme?
Ich wiederhole, es könnte eine beliebige Stunde sein, ich würde
in Berlin nichts tun, als auf sie warten (ich habe wenige Bekannte in Berlin
und auch die wenigen will ich nicht sehn, besonders da sie mich mit vielen
Literaten zusammbrächten und meine Sorgen viel zu sehr durcheinandergehn,
als dass ich das ertragen könnte), und wenn es keine ganze Stunde,
sondern 4 Viertelstunden würden, es wäre auch gut, ich würde
keine verpassen, ich würde mich nicht aus der Nähe des Telephons
rühren. Die Hauptfrage also bleibt, ob Du es für gut hältst;
bleibe Dir dessen bewußt, was für ein Mensch in mir zu Besuch
kommt. Deine Verwandten, Liebste, will ich aber nicht sehn, dazu bin ich
jetzt nicht geeignet und werde es in Berlin noch weniger sein, wobei ich
noch gar nicht, noch lange nicht daran denke, dass ich aus den letzten
Jahren kaum einen Anzug übrigbehalten habe, in dem ich mich vor Dir,
selbst vor Dir sehen lassen kann. Aber das ist wahrhaftig nebensächlich,
es lockt einen nur so, sich vor den Hauptsachen, die Du ja sehn und hören
wirst, in die Nebensachen zu flüchten. Überlege also die Sache
wohl, Felice! Vielleicht hast Du keine Zeit, dann braucht es keine Überlegung,
Ostern werden ja gewiß alle zuhause sein, der Vater, der Bruder,
die Schwester aus Dresden; die kommende Übersiedlung wird Dich in
Anspruch nehmen; für Deine Reise nach Frankfurt wirst Du Vorbereitungen
machen müssen, kurz ich würde es sehr wohl verstehn, wenn Du
keine Zeit hättest; ich sage das nicht nur aus eigener Unentschlossenheit,
ich würde mich vielmehr dann anstrengen, im April nach Frankfurt zu
kommen, wenn Du das für gut halten würdest. - Also, antworte
bald.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at