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An Felice Bauer
Das ist traurig, Felice, Du klagst, und ich maß es anhören wie
einer, der blind und stumm ist und außerdem seine Glieder nicht bewegen
kann und nur gerade das Gehör noch hat. Das Ärgste ist für
mich, dass ich Dir dabei Unrecht tue oder wenigstens getan habe, denn
da Du von dieser Sache nicht mehr schriebst, ja deren Erwähnung einmal
abwehrtest, dachte ich, durch Deine Reise und die Reise Deiner Schwester
wäre entweder alles geordnet oder wenigstens so weit gebracht, dass
keine Verschlimmerung und keine neue Aufregung eintreten könnte. In
dieser Meinung schrieb ich meine letzten Briefe und verlangte von Dir,
ohne es bös zu meinen, Interesse für meine Dinge, während
Du immerfort noch - freilich ohne es auch nur mit einem offenen Worte ahnen
zu lassen - an dem alten Leide würgtest. Ich will es ja nicht erfahren,
Liebste, denn es ist ja nicht Dein Geheimnis sondern das Geheimnis Deiner
Schwester, aber wissen will ich immer, wenn Du "am Ende Deiner Kräften
bist, damit ich nicht noch zu der mir eingeborenen Roheit in der Behandlung
eines Wesens, wie Du es bist, noch Roheit aus Unkenntnis Deiner Lage hinzufüge.
Möchtest Du mir für 2 Tage ein Bild Deiner Schwester borgen,
damit ich weiß, um wen Du Dich sorgst? Du bist die einzige, die von
dem Unglück weiß? Toni z.B. weiß gar nichts?
Wie traurig das ist! Und wie hilflos ich bin! Das beste wäre doch,
nach Berlin zu gehn, Dich in die Arme zu nehmen und hierherzutragen. Aber
wenn ich es könnte, hätte ich es ja schon längst getan.
Schon einige Zeit denke ich daran: Darf ich Dich "Fe" nennen?
Du unterschriebst Dich früher manchmal so, dann erinnert es auch an
"Fee" und an das schöne China, endlich ist es auch ein
geeignetes Wort, um ins Ohr gesagt zu werden. Also? Fe? Nur wenn es Dir
gefällt, stimm zu, Du bist mir unter allen Namen lieb.
Was für ein sonderbares Selbstbekenntnis steht heute in Deinem Brief!
Ein schwacher Mensch wärest Du, der mit sich selbst schon in ruhigen
Zeiten nichts anzufangen weiß. Höre, Du willst Dich doch nicht
verkleiden und mich mit mir selbst schrecken? Gern wußte ich, worauf
die Bemerkung zurückgeht und wie sich ihre Entwicklung über die
Samstagnacht hinweg in Dir verliert. Das soll Dir erspart bleiben, wenigstens
für die Dauer, "mit sich nichts anzufangen wissen", vertraue
mir; der darin Erfahrung hat, solche Menschen sehn anders aus als Du und
haben einen andern Blick. Die Ursache Deines gegenwärtigen Zustandes
kann nur die sein, dass Du fremdes Leid schwerer trägst als eigenes
und so von außen her in eine Verwirrung gebracht wirst, in die Du
von innen her nie kommen könntest.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at