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An Felice Bauer
Ich trage meine Müdigkeit, Liebste, ins Kabarett, wo ich jetzt sitze
und in der Pause Dir schreibe. Die Musik stört mich, der Rauch fährt
mir ins Gesicht, eine Tänzerin (Du lieber Gott, wie ich den Tanz verstehe!),
die als Matrose getanzt hat (der Schwung und das Aufstampfen und das Körperdehnen
und der leicht gesenkte Kopf, als sie den Rindgang von neuem begann), steht
im Promenoir herum und will doch auch angesehen werden - trotzdem, ich
bin froh, mich an dieses Dir gehörige Papier zuhalten und - so sonderbar
das Briefschreiben hier aussieht-gerade dadurch -niemand weiß
es - Mensch unter Menschen zu sein.
Ob ich am 1. nach Berlin kommen soll, das war allerdings eine Scherzfrage,
wenn auch nicht besonders lustig gemeint - aber die Marken der Reklamausstellung,
waren die überhaupt eine Frage?
Solche Briefe wie Dein heutiger, Liebste, sind nur zu sehr geeignet, mich
nachlässig zu machen in den Bemühungen, mich Dir klar zu machen
und Dich von der Unmöglichkeit eines menschlichen Verkehrs mit mir
überzeugen zu wollen. Und wenn ich auch heute jeder dafür verlorene
Tag scheint mir ein Vorwurf-unter dem Einfluß Deines Briefes, den
ich zuhause noch vor dem Weggehn rasch einmal gelesen habe und in der Brusttasche
trage - der Gong! Es wird dunkel.
So spät. Und ich bin doch lange vor Schluß weggegangen, nicht
nur wegen meiner ewigen Müdigkeit, mein Kopf wartet heute den ganzen
Tag krampfhaft darauf, dass ich die Augen schließe, sondern
auch deshalb, weil es mir immer wohl tut, aus einer festen Gemeinschaft
vor der allgemeinen Auflösung zu entkommen. Verstehst Du das?
Und nun Liebste, nimm mich hin, aber vergiß nicht, aber vergiß
nicht, mich zur rechten Zeit fortzustoßen!
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at