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An Felice Bauer

2. III. 13
 


Sonntag nachmittag. Bin ganz zerstreut. Habe bei Baum, der gerade von Berlin, wo er in Verlagsangelegen[heiten] paar Tage lang war, so viel Neuigkeiten systemlos durcheinandergehört, trotzdem ich mit großer Grobheit Frau Baum, die ich sehr lieb habe, die aber ganz trunken von den Berliner Erfolgen dem Oskar immer in die Rede gesprungen ist, abgeschrien und aus dem Zimmer herausgesteckt habe. Kam schon mit Kopfschmerzen hinauf und sitze jetzt mit Kopfschmerzen da. Oskar liest übrigens am i. April im Klindworthsaal, soll ich mit ihm nach Berlin kommen?

Die Kopfschmerzen stammen von der Nacht. Ich konnte meiner Aufregung gestern abend nicht Herr werden, immer wieder riß es mich fort, ich konnte nicht einschlafen und wälzte mich nur. Der gewöhnliche Menschenverstand sagte mir, ich solle aus dem Bett aufstehn, die stille Nacht benützen und schreiben. Etwas hielt mich davon ab.

Der angekündigte Brief ist nicht gekommen, Liebste. Nicht ankündigen, Liebste, nicht ankündigen, wenn es dann nicht kommt. Ich bin mit allem zufrieden, ein Wort, das aus Deinem Herzen kommt, genügt mir, aber nichts ankündigen, Liebste, das dann nicht kommt.

Die Adresse Deiner Schwester habe ich noch nicht bekommen und es ist doch schon höchste Zeit. Dann kommt das Paket am Ende nicht rechtzeitig an, Du wirst es mir als Schuld anrechnen, das Vertrauen zu mir verlieren und mir macht es doch solche Freude, einen derartigen Auftrag zu bekommen. Ich bin stolz darauf. Schick nur gleich auch ein Zettelchen mit, das ich beilegen kann, ich wußte sonst nicht, wie ich Deine Schwester davon verständigen sollte, dass Du die Geberin bist, es müßte denn sein, dass Du es ihr einfach direkt anzeigst. - Ich schreibe so rasch und flüchtig, weil ich in meinem eiskalten Zimmer schreibe. Leb wohl Liebste, und bleib mir erhalten.

Franz




Schwester: Felicens in Budapest verheiratete Schwester Else.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at