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An Felice Bauer
Sonntag nachmittag. Bin ganz zerstreut. Habe bei Baum, der gerade von Berlin,
wo er in Verlagsangelegen[heiten] paar Tage lang war, so viel Neuigkeiten
systemlos durcheinandergehört, trotzdem ich mit großer Grobheit
Frau Baum, die ich sehr lieb habe, die aber ganz trunken von den Berliner
Erfolgen dem Oskar immer in die Rede gesprungen ist, abgeschrien und aus
dem Zimmer herausgesteckt habe. Kam schon mit Kopfschmerzen hinauf und
sitze jetzt mit Kopfschmerzen da. Oskar liest übrigens am i. April
im Klindworthsaal, soll ich mit ihm nach Berlin kommen?
Die Kopfschmerzen stammen von der Nacht. Ich konnte meiner Aufregung gestern
abend nicht Herr werden, immer wieder riß es mich fort, ich konnte
nicht einschlafen und wälzte mich nur. Der gewöhnliche Menschenverstand
sagte mir, ich solle aus dem Bett aufstehn, die stille Nacht benützen
und schreiben. Etwas hielt mich davon ab.
Der angekündigte Brief ist nicht gekommen, Liebste. Nicht ankündigen,
Liebste, nicht ankündigen, wenn es dann nicht kommt. Ich bin mit allem
zufrieden, ein Wort, das aus Deinem Herzen kommt, genügt mir, aber
nichts ankündigen, Liebste, das dann nicht kommt.
Die Adresse Deiner Schwester habe ich noch nicht bekommen
und es ist doch schon höchste Zeit. Dann kommt das Paket am Ende nicht
rechtzeitig an, Du wirst es mir als Schuld anrechnen, das Vertrauen zu
mir verlieren und mir macht es doch solche Freude, einen derartigen Auftrag
zu bekommen. Ich bin stolz darauf. Schick nur gleich auch ein Zettelchen
mit, das ich beilegen kann, ich wußte sonst nicht, wie ich Deine
Schwester davon verständigen sollte, dass Du die Geberin bist,
es müßte denn sein, dass Du es ihr einfach direkt anzeigst.
- Ich schreibe so rasch und flüchtig, weil ich in meinem eiskalten
Zimmer schreibe. Leb wohl Liebste, und bleib mir erhalten.
Franz
Schwester: Felicens in Budapest verheiratete Schwester
Else.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at