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An Felice Bauer

Sonntagnachmittag 6 Uhr im Zug
 


Warum habe ich nur nicht gestern nachts geschrieben! Jetzt im Coupé in großer Gesellschaft wird es nichts mehr werden. Und den ganzen Tag über war ich unruhig, unzufrieden, als hätte ich die Verbindung mit Dir gestört, die ich doch für mein Leben brauche. Warum habe ich mich nur zu dem Spaziergang verführen lassen, ich wußte doch, dass ich nur wie ein Schatten mitziehen werde. Es war aber so schönes Wetter und ich recht verzweifelt, da dachte ich, lauf mit ihnen, vielleicht wird dir besser. Einer hat ja eine Füllfeder (die, mit der ich jetzt schreibe) und da dachte ich, es wird sich schon Gelegenheit und Ruhe finden, Dir zu schreiben. Aber nein, nein. Nur von Berlin konnte ich hie und da reden, einmal vom Parlographen, das war alles. Und ich brauche so sehr Deine Nähe, die Verbindung mit Dir und störe sie mir selbst. Hier vor den 4 Mädchen möchte ich mich öffentlich dafür schlagen wollen. Aber warte (das "warte" sage ich zu mir), abend schreiben wir ja wieder und schließen uns wieder recht zusammen. Ich habe wenigstens erfahren, wie ich Dir gehöre, in der Stadt, in der Eisenbahn, auf der Landstraße, bei fremden Großeltern, im Wald, auf Abhängen, wo ich gehe und sitze. - Letzte Station. Dieser Sonntagsbrief ist zu Ende. Ich kehre zur Gesellschaft zurück, aber behalte, bitte, Deine Hand im geheimen.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at