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An Felice Bauer
Nun bin ich, meine arme Liebste, (wenn es mir schlecht geht, sage ich "arme
Liebste", so möchte ich mich am liebsten mit allem Unglück
in Dich werfen, Du wahrhaftig arme Liebste, Du), müde wie ein Hühnchen
nachhause gekommen, im Kopf nichts als diese Summen der Schläfrigkeit,
da gibt es wieder Gesellschaft im Nebenzimmer und statt mich zu legen,
um Mitternacht in der Stille aufzustehn, zu essen und Dir dann zu schreiben,
irgendein gutes, abbittendes (habe ich etwas abzubitten, Liebste? Ich weiß
es nie und glaube es fast immer) ganz und gar einigendes Wort zu schreiben,
werde ich, da es nicht anders geht, den Lärm mit dem Nachtmahl verbinden
und dann sehr bald, womöglich vor 10 Uhr schlafen gehn.
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So, nun habe ich mich wieder zu Dir gerettet. Noch reden nebenan die Schwester
und eine Cousine von ihren Kindern, die Mutter und Ottla reden dazwischen,.
der Vater, der Schwager und der Mann der Cousine spielen Karten, da gibt
es Gelächter, Hohn, Schreie und Kartenniederschlagen, nur manchmal
vom Vater unterbrochen, der seines Enkel imitiert; über allen aber
singt der Kanarienvogel, der ganz jung ist, der Valli gehört, vorläufig
bei uns lebt und noch Tag und Nacht nicht unterscheiden kann.
Ich habe den Sonntag schlecht verbracht, bin unzufrieden, und der Lärm
nebenan ist ein passender Abschluß. Und morgen ist wieder das Bureau,
in dem ich Samstag einige besondere Unannehmlichkeiten neben den allgemeinen
und unaufhörlichen hatte, und die sich morgen gewiß fortsetzen
werden, sobald ich ins Bureau trete. Und bis zum morgigen Abend ist noch
so weit! Liebste, ich möchte so gerne Einzelheiten Deiner Bureauarbeit
wissen. (Warum bekomme ich übrigens nicht einen Offertbrief? Und wie
war das Ergebnis dieser Briefe?) Was will z.B. der Meister, der Dich in
die Fabrikräume holt? Wegen welcher Angelegenheiten telephoniert man
Dich an? Was fragen die Kleinen? Was für Geschäftswege hast Du?
Wer ist der Herr Hartstein? Gibt es schon diesen öffentlichen Phonographensalon
in der Friedrichstraße? Wenn nicht, wann wirst Du ihn einrichten?
Ich habe übrigens noch einen geschäftlichen Einfall für
Dich. In den Hotels sollte man für die Gäste, ebenso wie ein
Telephon, auch einen Parlographen bereit halten. Glaubst Du nicht? Such
das einmal einzuführen ! Wie wäre ich stolz, wenn das gelingen
würde. Ich bekäme dann 1000 andere Einfälle. Und muß
ich das nicht, da ich doch in Deinem Bureauzimmer sitzen darf. Ist es da
etwas besonderes, wenn ich, nachdem ich den ganzen Tag den Kopf an Deiner
Schulter hätte lehnen lassen, am Abend einen kleinen und wahrscheinlich
lächerlichen oder längst durchgeführten Geschäftseinfall
hätte?
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at