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An Lise Weltsch]

[Prag,] 5. VI. 13
 

Gnädiges Fräulein!

Das kann nur ein Irrtum sein, Sie sind dem Löwy gar nichts mehr schuldig, die Rechnungen sind schon längst abgeschlossen und da sie vollständig stimmen, kann ich nichts mehr annehmen und muß die Marken zurückschicken. Seien Sie mir bitte deshalb nicht böse. Wenn Sie aber Ihrer irrtümlichen Meinung nach noch immer glauben, gegenüber dem Löwy, mit dem ich in dieser Sache identisch bin, noch eine Verpflichtung zu haben, dann lösen Sie sie bitte auf die Weise ein, dass Sie ein kleines Buch, das ich Ihnen gleichzeitig schicke freundlich annehmen. Ich hatte schon lange Lust zu einem derartigen Unternehmen, fand aber keine rechte Gelegenheit und benütze nun diese, trotzdem es wie ich fürchte auch nicht die rechte Gelegenheit und nicht beim richtigen Buch ist. Aber Freude macht es mir trotz dieser Einschränkungen doch. Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr ergebener

Franz Kafka




Lise Weltsch: Schwester des politischen Schriftstellers Robert Weltsch später Frau des Beethoven-Forschers und Verlegers Siegmund Kaznelson.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at