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[Briefkopf. Prag, Postdirektion]
Lieber Franz,
Du ziehst dich ja ins Unsichtbare! - Gerstern bei Ehrenfels,
wer hat geschwänzt?
Ich bin jeden Nachmittag zu Hause und wäre froh, wenn du zu mir kämest.
- Du müßtest mich dann allerdings in meiner grenzenlosen Angst
vor einem leeren Concordia-Sonntags-Saal trösten,
zumindest das Programm mit mir besprechen.
Dein Max.
Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.
Coszcordia-Sonntags-Saal: Die von der deutschen Schriftstellervereinigung "Concordia" veranstalteten Dichterlesungen fanden im "Deutschen Casino" (auch "Deutsches Haus" genannt) statt. Über diese Lesung berichtet Willi Handl: "Aus Werken, die der Öffentlichkeit noch nicht übergeben sind, las Max Brod gestern einzelne Bruchstücke; stellte sozusagen das Gegenwärtige seiner inneren Persönlichkeit ein wenig vor . . . Das Bruchstück aus dem Tycho de Brahe-Roman war der größte und wichtigste Teil des Abends . . . Brod liest vortrefflich. Mit starker, scharf akzentuierender Stimme, an Stellen von Erhabenheit oder besonderem Nachdruck wird er wohl ein wenig deklamatorisch, aber nicht mehr, als die gehobene Stimmung eben noch zuläßt. Die sichtliche Ergriffenheit, in die er selbst gerät, gibt dem gesprochenen Wort ein schönes edles Feuer und bringt dem Zuhörer die künstlerische Wahrheit der Schöpfung innig nahe. Die Vorlesung des dramatischen Fragmentes, die angekündigt war, entfiel leider. Im übrigen gab Brod außer dem Romanfragment nur Lyrisches" (Prager Tagblatt vom 1.Dezember 1913).
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |