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[Reisetagebuch Weimar-Jungborn, 3. Juli 1912; Mittwoch]

Mittwoch 3 Juli (1912). Goethehaus. Es soll im Garten photographiert werden. Sie ist nicht zu sehn, ich darf sie dann holen. Sie ist immer ganz zittrig von Bewegung, bewegt sich aber erst, wenn man zu ihr spricht. Es wird photographiert. Wir zwei auf der Bank. Max zeigt dem Mann, wie es zu machen ist. Sie gibt mir ein Rendezvous für den nächsten Tag. - Öttingen schaut durchs Fenster und verbietet Max und mir, die wir gerade allein beim Apparat stehn, das Photographieren. Wir photographieren doch nicht! - Damals war die Mutter noch freundlich. Abgesehen von den Schulen und den Nichtzahlenden kommen 30000 Menschen im Jahr. - Bad. Ernste, ruhige Ringkämpfe der Kinder. - Großherzogliche Bibliothek am Nachmittag. Trippelbüste. Das Lob des Führers. Der immer zu erkennende Großherzog. Massives Kinn und starke Lippen. Hand im zugeknöpften Rock. Goethebüste von David, mit nach hinten gesträubtem Haar und großem gespannten Gesicht. Die durch Goethe vorgenommene Umwandlung eines Palais in eine Bibliothek. Büsten von Passow (hübscher kraushaariger Junge), Zach. Werner, schmales, prüfendes, vordringendes Gesicht. Gluck. "Abgegossen vom Leben". Die Löcher im Mund von den Röhren, durch die er geatmet hat. Goethes Arbeitszimmer. Durch eine Tür tritt man gleich in den Garten der Frau v. Stein. Die von einem Sträfling aus einer Rieseneiche ohne einen einzigen Nagel gearbeitete Treppe. - Spaziergang im Park mit dem Zimmermannsohn Fritz Wenski. Seine ernsten Reden. Er schlägt dabei mit einem Zweig in die Büsche. Er wird auch Zimmermann werden und wandern. Jetzt wandert man nicht mehr so, wie zu seines Vaters Zeiten, die Eisenbahn verwöhnt. Um Fremdenführer zu werden, müßte man Sprachen kennen, also entweder sie in der Schule lernen oder solche Bücher kaufen. Was er vom Park weiß, hat er entweder in der Schule gelernt oder von den Führern gehört. Auffallende Führerbemerkungen, die zu dem sonstigen nicht passen z. B. über das römische Haus nichts, als: Die Tür war für die Lieferanten bestimmt. Borkenhäuschen. Shakespearedenkmal. - Kinder um mich auf dem Karlsplatz. Gespräche über die Marine. Der Ernst der Kinder. Besprechung von Schiffsuntergängen. Überlegenheit der Kinder. Versprechen eines Balles. Verteilung der Kakes. Gaitenkoncert Carmen. Ganz durchdrungen davon.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at