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An Hedwig W.
Geehrtes Fräulein,
Hier sind die Briefe, ich lege auch die heutige Karte bei und habe keine
Zeile mehr von Ihnen.
Deshalb darf ich Ihnen sagen, dass Sie mir eine Freude machen würden,
durch die Erlaubnis, mit Ihnen zu reden. Es ist Ihr Recht, das für
eine Lüge zu halten, doch wäre diese Lüge gewissermaßen
zu groß, als dass Sie sie mir zutrauen dürften, ohne hiebei
eine Art Freundlichkeit zu zeigen. Dazu kommt noch, dass gerade die
Meinung, es handle sich um eine Lüge, Sie notwendig noch aufmuntern
müßte, mit mir zu reden, ohne dass ich damit sagen will,
meine mögliche Freude über die Erlaubnis könne Sie zu deren
Verweigerung bewegen.
Im Übrigen kann Sie (ich hätte Freude, vergessen Sie das nicht)
keine Überlegung zwingen. Sie können ja Ekel oder Langweile befürchten,
vielleicht fahren Sie schon morgen weg, es ist auch möglich, dass
Sie diesen Brief gar nicht gelesen haben.
Sie sind für morgen mittag bei uns eingeladen, ich bin kein Hindernis
für die Annahme der Einladung, ich komme immer erst um ¼3 Uhr
nach Hause; wenn ich höre, dass Sie kommen sollen, bleibe ich
bis ½4 weg; es ist übrigens auch schon vorgekommen und man
wird sich nicht wundern.
F. Kafka
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at