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[Postkarte. Stempel: Prag, 2. 6. 09]

[An:] Herrn Dr. Max Brod Prag Schalengasse 1

[Abs.:] Franz Kafka Niklasstr 36


Mein lieber Max - Deine Karte bekomme ich jetzt abend. Das ist ja unverständlich. Wie sollen wir das auffassen? Sorgt sich der Kalandra um Beschäftigung für die kleinen Praktikanten oder betreiben hohe Kreise, einmal in Bewegung gebracht, jetzt freiwillig, Deine Karriere. Die Sache überrascht natürlich, aber erschrecken muß sie doch nicht. Dein ein bißchen luderhaftes Leben wird aufhören, am Vormittag wirst Du geregelter faulenzen als bisher und an den meisten Nachmittagen schreiben, was endlich doch die Hauptsache ist für Dich und uns. Im ganzen hat es sich ja nur um die Sommermonate gehandelt, die knapp bevorstehen und an denen man glaube ich niemals arbeiten kann. Dafür hast Du die Nachmittage und die Abende mit der Dämmerung ungestört, mehr kann man zwar haben, aber verlangen darf man nicht mehr und einen gesetzlichen Anspruch auf Ferien bekommst Du jetzt offenbar auch. So bleibt als Wirkung des Dekrets, dass das eine Fräulein zeitweilig ein bißchen verdrießlich sein wird. Mein Gott!

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Kalandra: Zu diesem Brief merkt Brod an: "Trostbrief wegen einer zusätzlichen Arbeit, die mir mein damaliger Chef, Postdirektor Kalandra, zugeteilt hatte" (Br 499).


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at