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[Briefkopf: General-Agentschaft für Böhmen der k.k. privileg. Assicurazioni Generali in Triest]

[Prag, den] 9/6 08


Lieber Max,

Ich danke dir. Sicher verzeihst Du mir Unglücklichen, dass ich Dir nicht früher gedankt habe, wenn ich Sonntag Vormittag und Nachmittaganfangs mich ganz nutzlos, schrecklich nutzlos, allerdings bloß durch meine Körperhaltung nur, um einen Posten bewarb, den weitern Nachmittag bei meinem Großvater gesessen bin, doch oft ergriffen von den freien Stunden, und dann in der Dämmerung freilich im Sopha neben dem Bett der lieben H. gewesen bin während sie unter der roten Decke ihren Bubenkörper schlug. Abens in der Ausstellung mit der andern, in der Nacht in Weinstuben um ½6 zuhause. Da erst habe ich zum erstenmal Dein Buch gesehn, für das ich Dir wieder danke. Gelesen habe ich nur wenig das was ich schon kannte. Was für ein Lärm, ein wie beherrschter Lärm.

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


bei meinem Großvater: Kafkas Großvater mütterlicherseits, Jakob Löwy (1824-1910), wohnte damals ganz in der Nähe von Kafkas Eltern in der Prager Altstadt.


der lieben H.: Die Kellnerin Hansi Julie Szokoll (siehe WBL 51).


in der Ausstellung: Bei der großen Prager Jubiläums-Ausstellung- die bis dahin mehr als 300.000 Besucher, einschließlich des Erzherzogs Franz Ferdinand, verzeichnen konnte - gab es abends Promenadenkonzerte, festliche Illuminationen usw.


dein Buch: Max Brod, Schloß Nornepygge. Der Roman des Indifferenten, Berlin etc.: Juncker 1908. Geschrieben 1903-1908 und gewidmet dem Andenken meines innigen Freundes und Mitarbeiters Max Bäumel.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at