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An Hedwig W.
Liebste,
sie haben mir die Tinte genommen und schlafen schon. Erlaube es dem Bleistift,
dass er Dir schreibt, damit alles, was ich habe, irgendwie Teil an
Dir hat. Wärst Du nur hier in diesem leeren Zimmer, in dem nur zwei
Fliegen oben Lärm machen und ein wenig das Glas, könnte ich Dir
ganz nahe sein und meinen Hals an Deinen legen.
So aber bin ich unglücklich bis in Verwirrung hinein. Ein paar kleine
Krankheiten, ein wenig Fieber, ein wenig gestörte Erwartung hatten
mich für zwei Tage ins Bett gelegt, da habe ich einen niedlichen Fieberbrief
an Dich geschrieben, den ich freilich an diesem schönen Sonntag über
der Fensterbrüstung zerrissen habe, denn Du Arme, Liebe hast Aufregungen
genug. Nicht wahr, Du hast viel geweint in vielen Stunden in der Nacht,
während ich bei Sternenlicht in den Gassen herumgelaufen bin, um alles
für Dich vorzubereiten (bei Tag mußte ich lernen), da ist es
am Ende gleichgültig, ob man eine Gasse weit von einander wohnt oder
eine Provinz. Wie verschieden war alles um uns. Da bin ich sicher Donnerstag
früh am Bahnhof gestanden, dann Donnerstag nachmittag (der Zug kommt
nicht um ½3, erst um 3 und hatte ¼h Verspätung) und
Du hast in Triesch gezittert und dann jenen Brief geschrieben, den ich
Freitag bekommen habe, worauf ich nichts Besseres zu tun wußte, als
mich ins Bett zu legen. Das ist nicht schlimm, denn ohne mich aufrechtzusetzen
sehe ich vom Bett aus das Belvedere, grüne Abhänge.
Nun am Ende ist nichts anderes geschehn, als dass wir ein bischen
zwischen Prag und Wien eine Quadrillefigur getanzt haben, bei der man vor
lauter Verbeugungen nicht zu einander kommt, wenn man es auch noch so wollte.
Aber endlich müssen auch die Rundtänze kommen.
Mir geht es gar nicht gut. Ich weiß nicht, wie es werden wird. Wenn
man jetzt früh aufsteht und einen schönen Tag beginnen sieht,
dann ist es zu ertragen, aber später -
Ich schließe die Augen und küsse Dich
Dein Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at