Auch die Fehltritte von Familienangehörigen konnten dazu führen, dass Beamte oder Beamtinnen Disziplinarverfahren gewärtigen mussten. Ein Disziplinarverfahren aus dem Jahr 1936 bietet Einblicke in Normen und Praxis von Geschlechterverhältnissen in Beamt_innenehen. Die Frau eines Wiener Postadjunkts war angezeigt worden, für die NSDAP gespendet und illegale Schriften der Partei besessen zu haben. Sie musste dafür eine Geldbuße leisten. Über ihren Mann verhandelte eine Disziplinarkommission, da er „die ihm zur Pflicht gemachte Obsorge und Beaufsichtigung seiner Frau vernachlässigt“ habe „sodass es derselben ermöglicht wurde, durch Leistung von Spenden und Bezug von illegalen Druckwerken sich für die verbotene N.S.D.A.P. zu betätigen, weshalb auch deren polizeiliche Bestrafung erfolgte.“

Der Postadjunkt erklärte im Verfahren, dass ihm die Bestimmung hinsichtlich dieser Pflicht bekannt sei, dass ihm aber gar nicht bewusst gewesen sei, dass seine Frau sich illegal betätigt hätte. Sie war bis zu der Anzeige als Kassiererin im Ronacher tätig gewesen, weshalb sich Ehemann und Ehefrau aufgrund der Arbeitszeiten (er ab 6 Uhr morgens bis Mittag, sie von 13 Uhr bis in die Nacht hinein) nur relativ selten sehen würden. Über politische Dinge hatten sie nie gestritten, bloß einmal habe er seine Frau im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsstätte eine antisemitische Bemerkung gemacht, woraufhin er sie zurechtgewiesen habe. Seine Frau habe für Arbeitslose gespendet, und die Druckwerke habe sie vom Lebensgefährten ihrer Bedienerin bekommen.

Die Disziplinarkommission fand die Erklärungen des Beschuldigten glaubwürdig, er habe keinen Anlass gehabt, seine Frau zurechtzuweisen (bzw. habe er das im Fall der antisemitischen Äußerung ja getan). Immerhin gehe die Frau, wie in der Begründung des Erkenntnisses angemerkt wird, „selbständig einem Beruf nach“. Die Berufung des Disziplinaranwalts, der nicht glaubte, dass der Postadjunkt nichts von den illegalen Umtrieben seiner Frau gewusst hatte, wurde von der Disziplinaroberkommission abgewiesen: „Der Berufungssenat schloss sich den Gründen des Erkenntnisses I. Instanz voll und ganz an.“

Das Beispiel zeigt, dass die Vorstellungen von „Obsorge und Beaufsichtigung“ in der Praxis einer Ehe zwischen zwei berufstätigen Personen im Jahr 1936 nicht (mehr?) so ganz strikt gepflogen wurden und auch, dass ein männlicher Beamter nicht notwendigerweise der Alleinverdiener sein musste, dessen Gattin sich auf die Besorgung des Haushalts beschränkte.

(Quelle: (Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Bundeskanzleramt (BKA), BKA-I Präs, Disziplinaroberkommission (DOK), Karton 17: Karl Führing).