Ute Wardenga
(Leipzig)
U_Wardenga@ifl-leipzig.de
Harald Zepp (Bochum)
harald.zepp@rub.de
Seit ein paar Jahren ist im Wissenschaftssystem ein Prozess zu
beobachten, der die konventionellen Unterscheidungen von Natur
und Gesellschaft immer fragwürdiger erscheinen lässt. Einerseits
werden ehedem als "rein natürlich" angesehene Phänomene wie z.B.
der Klimawandel und die durch ihn hervorgerufenen Veränderungen
mehr und mehr als Teil gesellschaftlicher Verantwortung
diskutiert. Anderseits mehren sich, z.B. durch die jüngeren
Befunde der Hirnforschung, gleichzeitig ernstzunehmende
Hinweise, die die Vorstellung eines intentional, aufgrund
rationaler Entscheidungen handelnden Subjektes ins Wanken
bringen und die Sozialwissenschaften auf breiter Front zu einer
Auseinandersetzung mit Naturalisierungstendenzen zwingen. Hinter
beiden gegenläufigen Prozessen scheint sich ein grundsätzlicher
Wandel von Wissenskonfigurationen abzuzeichnen, der auch die
Geographie nicht unberührt lassen kann.
Aufgabe der Leitthemensitzung wird es deshalb sein, vor dem
Hintergrund der gegenwärtigen Neubestimmungen Ansätze zur
Überwindung der Dichotomie von Natur und Gesellschaft zu
diskutieren.
Wir schlagen vor, die Fachsitzung in zwei Blöcke zu teilen.
Im ersten Block sind einführende Grundsatzreferate aus dem
Bereich der Humangeographie und der Physischen Geographie
vorgesehen.
Im Rahmen der Leitthemensitzung sollen folgende Fragen
bearbeitet werden:
Wie ist der generelle Stand der Diskussion bezüglich von
Ansätzen (in den Sozial- und Kulturwissenschaften einerseits und
in den Naturwissenschaften andererseits), die versprechen, zur
Überwindung der Dichotomie von Natur und Gesellschaft
beizutragen? Welche Haupttendenzen und Hauptverwerfungen lassen
sich in beiden Wissenschaftskulturen und in deren
Überschneidungsbereich erkennen? Welche Themen müssen wie
behandelt werden, um Forschungsfortschritte zu erzielen? Was
scheint Erfolg versprechend zu sein, was nicht, und warum? Von
welchen Mythen, Illusionen und lieb gewordenen Unterscheidungen
muss man sich verabschieden? Wie können/sollten entsprechende
Forschungsprogramme aussehen?
Der zweite Block würde der Katastrophenforschung gewidmet sein.
Hier ginge es zunächst darum, aus der Sicht der Physischen
Geographie einerseits und der Humangeographie andererseits einen
Überblick über die Katastrophenforschung zu geben, um dann
eigene (bei beiden Vorträgen möglichst unterschiedliche)
Positionierungen zu wählen und in einem weiteren Schritt am
konkreten Beispiel die Tragfähigkeit und die integrativen
Perspektiven der Ansätze aufzuzeigen.